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Aus: Ausgabe vom 03.07.2024, Seite 8 / Ansichten

Regieren ohne Schranken

Von Jörg Kronauer
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Nein, das Zitat stammt nicht von Donald Trump, es stammt von Richard Nixon: »Wenn der Präsident es tut, dann bedeutet das, dass es nicht illegal ist.« Denn der Versuch, die Vollmacht des US-Präsidenten über die Grenzen des Legalen hinaus auszudehnen, ist alt. Nixon freilich kam mit ihm, siehe Watergate, letzten Endes nicht durch. Erfolg hatten nun Trump und die rechtskonservative Richtermehrheit, die er im Verlauf seiner Amtszeit im Washingtoner Supreme Court installieren konnte. Das Gericht entschied, ein US-Präsident könne nur für Taten vor Gericht gestellt werden, die er als Privatperson begehe; bei allem jedoch, was er in offizieller Funktion tue, genieße er Immunität. Die Ausnahmen sind dabei mal so eng, dann wiederum so schwammig definiert, dass sie laut der Einschätzung von Sonia Sotomayor, eine der drei Richterinnen, die ein Minderheitsvotum abgaben, faktisch nicht existieren.

Dem US-Präsidenten sind also, sofern er sich der Instrumente seines Amtes bedient, keine Schranken mehr gesetzt. Ein Beispiel: Dass er sich mit Weisungen an das Justizministerium zurückhalten sollte, war eine der Lehren, die einst aus Watergate gezogen wurden. Die Zeiten sind jetzt vorbei. Wird Trump wiedergewählt, dann wird er – dass er das will, hat er längst kundgetan – das Justizministerium beauftragen können, seine politischen Gegner mit Gerichtsverfahren zu überziehen. Ein künftiger Präsident wird, so hat Sotomayor es zugespitzt formuliert, Navy Seals beauftragen können, seine Rivalen zu töten; und will er nach einer verlorenen Wahl an der Macht bleiben, wird er sich nicht mehr umständlich über angebliche Wahlfälschungen beklagen müssen: Er kann ganz einfach einen Militärputsch befehlen. Bei alledem bleibt er immun.

Wieso geht heute, was in der Ära Nixon noch nicht ging? Nun, die kapitalistischen Systeme sind mehr denn je von innen zerfressen; die Vereinigten Staaten sind – wie so oft – wohl auch diesbezüglich dem alternden Europa ein Stück weit voraus. Zudem spitzt sich der große Machtkampf gegen China, bei dem es für die herrschende Klasse in den USA um ihre globale Dominanz geht – also ums Ganze –, immer stärker zu. Von innen zerfressen, von außen von einem Rivalen bedrängt, der sich, geht man nicht schnell und hart gegen ihn vor, noch als übermächtig erweisen könnte: Besondere Umstände verlangen laut Ansicht zumindest eines Teils der US-Eliten besondere Maßnahmen. Menschen, heißt es, zeigen in der Krise ihr wahres Gesicht. Für den Imperialismus gilt das allemal.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (4. Juli 2024 um 14:05 Uhr)
    Der gesalbte Präsident: In einer Zeit, in der sich die Welt schneller dreht als ein Karussell auf dem Jahrmarkt, hat die US-amerikanische Demokratie endlich ihren wahren Helden gefunden: den Präsidenten. Ja, der US-Präsident ist der moderne Papst – unfehlbar, unantastbar und mit einer Aura versehen, die nur durch die Blendkraft eines Supernova-Sterns übertroffen wird. Nixon mag damals noch gescheitert sein, aber nun lebt seine Idee in der prachtvollen Gestalt von Donald Trump weiter, wie ein Phönix, der aus der Asche eines nicht überprüften Steuerbescheids emporsteigt. Ein Präsident, so entschied das hohe Gericht, kann nur für Taten vor Gericht gestellt werden, die er als Privatperson begeht. Alles, was er jedoch in offizieller Funktion tut, genießt Immunität. Wie praktisch! Was für eine brillante Auslegung der Macht. Ein Präsident, der frei nach Herzenslust agieren kann, ohne sich um die lästigen Fesseln der Legalität zu kümmern. Der moderne Papst muss sich nicht mit unnötigen Details wie Gesetzen oder Moral aufhalten. Und falls die Wähler es wagen sollten, anders zu entscheiden? Kein Problem. Ein kleiner Militärputsch hier, ein gut getimter Befehl dort, und schon bleibt der Präsident an der Macht, ganz so, wie es sich für einen modernen Monarchen gehört. In der Ära der Krisen zeigt sich der wahre Charakter, und was könnte charaktervoller sein als ein Präsident mit gottgleicher Unfehlbarkeit? Das zerfallende kapitalistische System und die Bedrohung durch das aufstrebende China mögen drängende Probleme sein, doch mit einem Präsidenten, der so unantastbar ist wie der Papst selbst, können die USA ihre globale Dominanz wahren. Denn besondere Umstände verlangen besondere Maßnahmen – und wer könnte diese besser ausführen als der unfehlbar gesalbte Herrscher des modernen Amerikas? In diesem Sinne: Heiliger Präsident, wir danken dir für deine Führung. Möge dein Zepter der Unfehlbarkeit niemals erschüttert werden!
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (3. Juli 2024 um 12:00 Uhr)
    Kronauer spricht hier von »Machtkampf gegen China«, die USA seien »von außen von einem Rivalen bedrängt«. Damit wird suggeriert, dass der »Machtkampf« quasi von beiden Seiten geführt wird. Wer bedrängt hier wen? Mir ist bisher nicht bekannt, dass China Militärbasen an der Grenze der USA betreibt. Die USA dagegen haben allein in Südkorea 22 Militärstützpunkte, in Japan 21 (Quelle: Wikipedia). Chinesische Kriegsschiffe im Golf von Mexiko wurden auch noch nicht gesichtet. Meldungen vom Mai 2024 in FR: »US-Zerstörer durchquert Südchinesisches Meer«. JW: »Startschuss für Manöver zu Wasser und in der Luft: Deutsche Fregatten laufen in den Pazifik aus. China protestiert gegen Marineübung«.
  • Leserbrief von Fred Buttkewitz aus Ulan - Ude (3. Juli 2024 um 03:57 Uhr)
    »Die Zeiten sind jetzt vorbei. Wird Trump wiedergewählt, dann wird er – dass er das will, hat er längst kundgetan – das Justizministerium beauftragen können, seine politischen Gegner mit Gerichtsverfahren zu überziehen.« Das hat er ja nun am eigenen Leib auch ohne Anweisung des Präsidenten an das Justitzministerium zur Genüge erfahren. Die Zeiten, einen politischen Gegner mit Prozessen auszuschalten, bleiben die alten. Diese angeblich neuen Mittel der Einflussnahme auf die Justiz gibt es in der BRD seit Ewigkeiten. Die Staatsanwaltschaften sind weisungsgebunden. Sie müssen entweder gegen politische Gegner vorgehen, obwohl sie das von sich aus vielleicht nicht vorhatten, oder je nach Weisung gegen Regierungsmitglieder nicht vorgehen (»In Anbetracht des Amtes des Bundeskanzlers«). Außerdem weiß ich als Hobbygärtner, dass es in jedem System eine Einheitlichkeit der Form gibt. Beispielsweise sind die Formen eines Samenkorns, eines Blattes, eines Astes, der Silhouette eines Baubes und der Frucht stets gleich. Nach diesem Gesetz ist es nur logisch, dass ein Staat wie die USA, für den nur die selbst geschriebenen Regeln gelten, besser gesagt nur die eine Regel, dass sie als einziges Land unantastbar sind, dann selbstverständlich auch für ihr Staatsoberhaupt gilt. Ein Trump oder Truman mit solchen Rechten handelt immer so, wie der von ihnen regierte Staat, der sich selbst schrankenlos weltweit die gleichen Rechte heraus nimmt. Immunität im Amt von Staatsoberhäuptern gibt es in vielen Staaten. Aber keinem fällt auf, dass der »demokratische« französische Staatspräsident über weitaus umfangreichere Vollmachten verfügt als der »autoritäre« russische Staatspräsident und sie auch einsetzt. Er kann jahrelang gegen die Wähler (das ist ja ohnehin üblich), aber auch gegen das Parlament, mit Verordnungen regieren.

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