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Aus: Ausgabe vom 04.07.2024, Seite 11 / Feuilleton
Documenta

Weichen stellen

Die neue Findungskommission der Documenta 16 ist gefunden
Von Ulrich Schneider
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Die Documenta 16 hat eine neue Findungskommission. Sie muss nun eine künstlerische Leitung für die Weltkunstschau bestimmen, die 2027 in Kassel stattfinden soll, nachdem die ursprüngliche Besetzung Ende 2023 wegen einer grundsätzlichen Kontroverse mit der Geschäftsführung geschlossen zurückgetreten war. Jetzt hat der Aufsichtsrat Ersatz gefunden. Wie die Documenta gGmbH am Mittwoch mitteilte, besteht das neue Gremium aus dem Kunsthistoriker und Direktor des Museums Ludwig in Köln, Yilmaz Dziewior, der künstlerischen Leiterin des Jim Thompson Art Center in Bangkok, Gridthiya Gaweewong, der Direktorin des Mori Art Museum in Tokio, Mami Kataoka, sowie den freien Kuratoren Sergio Edelsztein, N’Goné Fall und Yasmil Raymond.

Während in der Presseerklärung hervorgehoben wird, diese Kommission stehe in »besonderer Weise für die Internationalität und Diversität der Documenta-Ausstellungen«, wird bei näherer Betrachtung deutlich, dass der Aufsichtsrat (Stadt Kassel, Land Hessen und Vertreter des Bundes) eine politische Weichenstellung vorgenommen hat. In der sogenannten Organisationsentwicklung, die nach den Auseinandersetzungen um die Documenta 15 eingeleitet wurde, hatte man noch versucht, einen »Code of Conduct« als Verpflichtungserklärung für die künstlerische Leitung und die Künstler durchzusetzen. Dies scheiterte nicht nur wegen rechtlicher Bedenken, sondern auch wegen deutlicher Ablehnung aus der Kunstszene. Es stand zu befürchten, eine solche Klausel könne internationale Künstler davon abhalten, überhaupt nach Kassel zu kommen.

Nun wurden mit dem israelischen Kurator Sergio Edelsztein und seiner aus den USA stammenden Kollegin Yasmil Raymond zwei Mitglieder in die Findungskommission berufen, welche die Sicht der Geschäftsführung durchsetzen sollen. Im März 2024 berichtete die FAZ über einen Konflikt in der Frankfurter Städelschule. Deren Rektorin, Yasmil Raymond, war nicht bereit, eine Gaza-Solidaritätsbekundung der Studenten mitzutragen. Schon im Januar hatte sie als Direktorin der Frankfurter Ausstellungshalle Portikus Ärger, da die iranische Regisseurin Maryam Tafakory ihre Filme wegen Raymonds proisraelischer Haltung dort nicht zeigen wollte. Raymond trat im März 2024 als Direktorin der Städelschule zurück.

Die Sengalesin N’Goné Fall, Generalkommissarin der französischen Veranstaltungsreihe Africa »2020 Season«, und der deutsche Museumsdirektor Yilmaz Dziewior haben viele der Auseinandersetzungen im westeuropäischen Kunstbetrieb aus nächster Nähe erlebt und werden hoffentlich für eine offene Debatte stehen. Die Thailänderin Gridthiya Gaweewong und Mami Kataoka bringen die asiatische Perspektive ein. Es bleibt zu wünschen, dass die Offenheit der Documenta gegenüber den Perspektiven des globalen Südens tatsächlich gewahrt bleibt.

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  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (4. Juli 2024 um 09:55 Uhr)
    Die Gründung einer »Anti-Documenta« scheint mir nur noch eine Frage der Zeit und angesichts des zunehmenden politischen Einflusses auf die Freiheit der Kunst ebenso dringend geboten.

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