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Aus: Ausgabe vom 05.07.2024, Seite 8 / Ansichten

Diplomatischer Störfaktor des Tages: Der »Wolfsgruß«

Von Nick Brauns
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Am Sonnabend will der türkische Präsident Erdoğan persönlich seinen »Grauen Wölfen« den Rücken stärken …

Beim EM-Viertelfinalspiel der Türkei gegen die Niederlande am Sonnabend wird der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan im Stadion in Berlin dabei sein. Er wolle der türkischen Mannschaft wegen der Debatte um den »Wolfsgruß« den Rücken stärken, heißt es in Medien seines Landes. Nationalspieler Merih Demiral hatte im Spiel gegen Österreich sein Tor mit dem eine Wolfsschnauze symbolisierenden Handzeichen der faschistischen »Grauen Wölfe« gefeiert. »Wir sind alle Türken, ich bin sehr stolz darauf, Türke zu sein und das ist der Sinn dieser Geste«, rechtfertigte sich Demiral. Allerdings steht der Gruß mitnichten für »alle Türken«, sondern ist vielmehr eine Drohung gegenüber denjenigen, die als »untürkisch« gelten. So fielen Tausende Sozialisten, Aleviten und Kurden dem Terror der Faschisten zum Opfer. Erst am Dienstag erstachen sie bei Pogromen gegen Flüchtlinge einen syrischen Jugendlichen in Antalya.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD), deren Behörde seit Jahren einen Bundestagsbeschluss auf Prüfung eines »Graue Wölfe«-Verbots verschleppt, protestierte ausnahmsweise gegen Demirals Geste. Und am Donnerstag wurde der türkische Botschafter ins Auswärtige Amt einbestellt. Sein deutscher Amtskollege in Ankara musste bereits einen Tag früher im dortigen Außenministerium vorstellig werden. Von dort hieß es: »Die Reaktion der deutschen Behörden gegenüber Herrn Demiral sind selbst fremdenfeindlich.«

In der Türkei, wo die MHP als Mutterpartei der »Grauen Wölfe« Teil der Regierungsallianz ist, gehört der »Wolfsgruß« längst zur Leitkultur. Er hat damit eine ähnliche Karriere aus der Schmuddelecke in die Mitte der Gesellschaft hingelegt, wie der heute in der Ukraine allgegenwärtige einstige Nazigruß »Slawa Ukrajini«. Doch wenn faschistische Symbolik hegemonial wird, ist das kein Zeichen ihrer Harmlosigkeit, sondern der zunehmenden Faschisierung einer Gesellschaft.

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