75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Sa. / So., 07. / 8. September 2024, Nr. 209
Die junge Welt wird von 2927 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 05.07.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Pakistan

Ein Haushalt für den IWF

Im Finanzjahr 2024/2025 will Pakistan 40 Prozent mehr Steuern einnehmen. Es trifft die ärmeren vier Fünftel
Von Thomas Berger
imago0578676528h.jpg

Seit Montag, dem Beginn des neuen Finanzjahres, hat Pakistan einen bestätigten Haushalt. Präsident Asif Ali Zardari aus der Führungsriege der Pakistanischen Volkspartei (PPP), die die Regierungskoalition ohne eigene Kabinettsmitglieder stützt, hat das Gesetz zum Haushalt 2024/2025 am Sonntag gerade noch rechtzeitig unterzeichnet. Laut Verfassungsartikel 75 hatte er keine andere Möglichkeit, bei »Geldgesetzen« hat das Staatsoberhaupt kein Vetorecht. In vorletzter Minute hatte die PPP im Parlament mit den Regierungsfraktionen unter Führung der Pakistanischen Muslimliga-Nawaz (PML-N) von Premier Shehbaz Sharif dem Haushalt zugestimmt. Heftige Kritik kam von der Opposition, insbesondere den Abgeordneten der Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI) des immer noch inhaftierten Exregierungschefs Imran Khan.

Der Haushalt für das Finanzjahr 2024/2025 sei »mehr als eine fiskalische Routineübung«, schrieb die Express Tribune am 11. Juni. »Das ganze ist ein Lackmustest für die Fähigkeit der Regierung, das Land aus der ökonomischen Krise zu führen.« In der Tat steckt die Atommacht mit ihrer Bevölkerung von rund 240 Millionen in einer der größten Wirtschafts- und Finanzkrisen seit Unabhängigkeit und Staatsgründung 1947. Die Devisenreserven haben sich zwar auf geringem Niveau etwas stabilisiert. Aber die zweitgrößte Volkswirtschaft Südasiens lebt in jeglicher Hinsicht auf Pump: Neue Kredite werden vorrangig gemacht, um älteren Zahlungsverpflichtungen nachkommen zu können. Und ohne milliardenschwere »Nothilfen« des Internationalen Währungsfonds (IWF) wäre der Staat längst bankrott. Die Hilfen des IWF sind an Bedingungen geknüpft, deren Erfüllung war bei der Haushaltsplanung maßgeblich.

Es ging auch um vorauseilenden Gehorsam, die Aussicht auf einen neuen Riesenkredit. Dafür sollen die Steuereinnahmen erhöht werden. Um satte 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Finanzminister Muhammad Aurangzeb hat die Zielmarke auf die entsprechenden 13 Billionen Rupien (41 Milliarden Euro) angehoben. Die Regierung wirbt mit erhöhten Ausgaben: In den Topf für »nationale Entwicklungsprojekte« sollen nicht mehr nur 975 Milliarden Rupien (3,26 Milliarden Euro) fließen, sondern 1,4 Billionen Rupien, obwohl die Mittel im gerade abgelaufenen Finanzjahr nicht einmal zur Hälfte abgerufen worden sind, sondern nur 400 Milliarden. Den Parlamentsabgeordneten stehen 75 Milliarden für Projekte in ihren Wahlkreisen zu. Dabei geht es meist um gezielte Maßnahmen zur Absicherung der eigenen Wiederwahl, aber auch diese Mittel werden nur zum Teil in Anspruch genommen.

Etwas andere Akzente setzt die von der PTI geführte Regionalregierung in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa. Dort soll es eine »Education Card« zum freien Bildungszugang und Starthilfe für Unternehmensgründungen geben, ebenso Hilfspakete für werdende Mütter in ländlichen Regionen, um Entwicklungsdefiziten bei Kleinkindern durch Mangelernährung zu begegnen.

Unter dem Strich werden die Daumenschrauben für die ärmeren vier Fünftel der Bevölkerung weiter angezogen. Die Steuererhöhungen machen nicht nur Strom und Treibstoff teurer. Der neue Haushalt »wird das Leben der durchschnittlichen Pakistaner noch härter machen und den Vertrauensbruch zwischen Herrschern und Beherrschten vertiefen, weil eine Reihe ergänzender Steuern direkt die kleineren und mittleren Haushalte treffen«, konstatierte am Sonntag die Tageszeitung The Dawn.

Die neue Zielmarke bei den Steuereinnahmen soll die Fachleute des IWF positiv stimmen. Sie bedeutet aber vor allem zusätzliche Lasten für jene, die kaum noch wissen, wie sie über die Runden kommen sollen. Auch Grundprodukte wie Babynahrung und Milch sollen mit neuen Steuern belegt werden. Für viele aus der dünnen Mittelschicht wurde das im vergangenen Jahr bei über 40 Prozent Inflation unbezahlbar. Die Massen verarmen nun weiter, zum Wohlgefallen des IWF.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

  • Der pakistanische Premierminister Sharif (r.) und der türkische ...
    07.06.2023

    Pakistan am Limit

    Islamabad braucht 25 Milliarden US-Dollar Beihilfen im neuen Haushaltsjahr
  • Bei Lebensmitteln liegt die Teuerung in Pakistan bei 50 Prozent
    23.05.2023

    Tauziehen mit IWF

    Pakistan: Internationale Geldgeber drehen Hahn zu. Devisenreserven schrumpfen

Regio:

Mehr aus: Kapital & Arbeit