VAR abschaffen
Von René LauIch gebe es offen zu: Ich war von Anfang an kein Freund des Videoassistenten VAR. Als Fußballfan, der in den 70er und 80er Jahren sozialisiert wurde, habe ich mich mit Veränderungen des Spiels immer schwergetan. Doch mit vielem habe auch ich mich im Laufe der Zeit angefreundet. Die Rückpassregel gehört dazu, da sie den Fußball wirklich interessanter gemacht hat und einen sportlichen Wert besitzt. Aber bei einer Sportart, in der nicht Millimeter oder Sekunden über den Sieger entscheiden, sollten technische Hilfsmittel weitgehend außen vor bleiben. Was war schlimm daran, wenn in alten Zeiten sich der Schiedsrichter mal geirrt hatte und wir alle beim Bier im Stadion geschimpft und gepöbelt haben? Aber auch uns Fans war Menschliches nicht fremd, und so fanden wir uns in der Regel schon kurz nach einer Fehlentscheidung mit dieser ab. Wichtig war: Fällt das Tor, und der Schiedsrichter pfeift nicht, haben wir gejubelt. War die Fahne beim Abseits an der Seite nicht oben, kam kein Pfiff. All das gehörte für mich zur Seele des Fußballs. Heute ist meine erste Reaktion nach einem Tor: Darf ich jubeln?
Und als wir dachten, es geht nicht schlimmer, kam die Europameisterschaft. Was hierzulande der Kölner Keller ist, soll ja während der EM das Leipziger Erdgeschoss sein. Hier sei alles professioneller, besser und gerechter, hat man uns versprochen. Schaue ich mir aber die Spiele an, graust es mir. Linien werden gezogen, um nach mehreren Minuten Unterbrechung bei der zwölften Wiederholung einen Zentimeter Abseits erkennen zu können. Oder ein Spiel läuft weiter, um viele Situationen später unterbrochen zu werden, da ein Handspiel überprüft werden soll, an das schon keiner mehr gedacht hat.
Ein Freund schrieb mir vor einigen Tagen: Wenn die Technik wichtiger als der menschliche Faktor ist, stirbt der Fußball. Recht hat er. Das merke ich jede verdammte Woche, wenn ich im Stadion bin. Mein Herzensverein spielt in der viertklassigen Regionalliga. Eine Liga, in der es weder Torlinientechnik noch den VAR gibt. Und ich habe es nicht ein einziges Mal erlebt, dass irgend jemand sie vermisst hätte. So ist der Fußball, wie wir ihn lieben.
Im Basketball oder Handball mag die Technik ihren Platz haben. Doch das sind Sportarten, in denen in einem Spiel mehr als einhundert Punkte oder dreißig Tore erzielt werden und bei denen es eine sekundengenaue Spielzeit gibt – sie sind mit dem Fußball nicht vergleichbar.
Es bleibt nur eins. Schafft den VARnsinn ab, und gebt dem Fußball seine Seele zurück.
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Jedes Spiel sehe ich mir gern an, schalte erst mit Anpfiff des Spiels an und mit Schlusspfiff aus. Es bleibt mir weitgehend einiges erspart. Alle sportliche Freude der Zuschauer und Spieler verstehe ich gut.
Auch Schiedsrichter sind Menschen, auch VAR ist nicht der absolute Perfektionismus und bedarf immer letztlich der subjektiven Sicht von Menschen. Freude oder Ärger liegen nahe beieinander. Hass, Hetze, Häme haben da nichts verloren. Mit Gerechtigkeit mag gehadert werden. Wie gerecht war der Sieg gegen die Dänen? Wo war da mediales Geschrei um Gerechtigkeit? Dem Fußball als Spiel und sportliches Kräftemessen, fair, freundschaftlich, hat das alles wenig gedient. Nur gut, den meisten Spielern selbst wird es ein Sport und Spiel sein und bleiben. Sie kennen sich aus den Clubs aller Welt, in denen sie ihre Millionen verdienen. Die wenigsten sind sich Feind. Keiner weiß wo, mit wem er bald im Team spielen wird. EM, WM usw. sind Menschenmarktplätze, auf denen sie ihren Marktwert zur Schau stellen müssen. Sieg oder Niederlage, eher nicht das Entscheidende. Patriotisch, Vaterländisch, Nationales, braucht es das übersteigert? Es braucht es allenfalls und bitter nötig völkerverbindend. Ist der olympische Gedanke noch einigen bewusst?