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Aus: Ausgabe vom 06.07.2024, Seite 1 / Titel
Wahl in Britannien

Triumph für Corbyn

Wahl in Britannien: Ex-Labour-Chef zieht erneut ins Unterhaus ein. Nachfolger Starmer nutzt der Absturz der Tories. Premier Sunak gescheitert
Von Jörg Kronauer, London
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Kampf für soziale Gleichheit und Frieden: Jeremy Corbyn mit Anhängerinnen auf den Straßen Londons (März 2024)

Der frühere Labour-Chef Jeremy Corbyn zieht nach der Parlamentswahl im Vereinigten Königreich als Unabhängiger erneut ins britische Unterhaus ein. Corbyn konnte seinen Wahlkreis im Norden Londons mit fast 50 Prozent der Stimmen gegen unter anderem den Kandidaten des Labour-Establishments gewinnen. Es ist ein echter Triumph für den linken Politiker, der als Labour-Chef in der Parlamentswahl 2017 so viele Wähler für seine Partei gewinnen konnte wie keiner seiner Vorgänger seit Jahrzehnten, der dann aber vom Parteiestablishment aufgerieben und zuletzt sogar aus der Partei ausgeschlossen wurde. Corbyn verdankt den Wahlsieg seinem viele Jahrzehnte langen Kampf für soziale Gleichheit und Frieden und der tiefen Verankerung in – nicht nur – seinem Wahlkreis Islington Nord, die damit entstanden war.

Klarer Sieger der Wahl ist die Labour Party, die die Zahl ihrer Sitze im Unterhaus auf 412 (von insgesamt 650) mehr als verdoppeln konnte. Eindeutige Verlierer sind die Konservativen, die 250 Sitze verloren und nun mit 121 so wenige Abgeordnete stellen wie noch nie seit ihrer Parteigründung im Jahr 1834. Der Kollaps der Tories hat auf der einen Seite Zugewinne bei den Liberaldemokraten ermöglicht, die künftig 71 (statt bisher elf) Parlamentssitze innehaben. Auf der anderen Seite wechselten viele Wähler vom rechten Flügel der Konservativen zu Reform UK, der Partei von Ex-UKIP-Chef Nigel Farage, der eines von vier Direktmandaten für Reform UK gewann. Die geringe Zahl an Direktmandaten täuscht – Ursache ist das britische Mehrheitswahlrecht, nach dem lediglich Wahlkreissieger ins Parlament einziehen – über die eigentliche Stärke von Reform UK hinweg: Die Partei erhielt 14,3 Prozent der Stimmen und wurde damit – gemessen nicht an der Anzahl der Abgeordneten, sondern am Stimmenanteil – nach Labour und den Konservativen drittstärkste Kraft.

Blickt man auf die Stimmenanteile, dann zeigt sich zudem, dass Labour unter dem wenig populären Parteichef Keir Starmer nicht aufgrund eigener Stärke, sondern vor allem angesichts der historischen Schwäche der Konservativen gesiegt hat. So gewann Labour gerade einmal 1,6 Prozent der Stimmen hinzu; das reichte nur deshalb für satte 412 Parlamentssitze, weil konservative Kandidaten flächendeckend einbrachen. Da außerdem die Wahlbeteiligung stark zurückging – um 7,6 Prozentpunkte auf 60,0 Prozent –, genügten für den Labour-Wahlsieg rund 9,6 Millionen Stimmen; das waren gut 600.000 weniger als bei der Wahl 2019 und sogar mehr als drei Millionen weniger als bei der Wahl 2017.

Labour verlor dabei wegen Starmers beinharter Unterstützung für den Gazakrieg viele Stimmen an unabhängige Kandidaten aus der muslimischen Community, die in vier Wahlkreisen sogar Direktmandate gewannen und in einer Reihe weiterer Wahlkreise Labour Stimmen abspenstig machten. Dass die krasse Zunahme der Armut und der desolate Zustand des Gesundheitswesens Labour die Wähler nicht in Scharen zugetrieben haben, ist der verbreiteten Erkenntnis geschuldet, dass von der Partei unter Starmer keine echte politische Erneuerung zu erwarten ist.

Premierminister Rishi Sunak kündigte am Freitag vormittag an, er werde die Verantwortung für die Niederlage der Konservativen übernehmen und vom Amt des Parteichefs zurücktreten. Sunaks Versuch, mit brutalster Flüchtlingsabwehr – der Bestrebung, Asylsuchende nach Ruanda abzuschieben – Stimmen zu sammeln, ist damit gescheitert. Der dadurch geschürte Rassismus trieb letztlich nur Reform UK die Wähler zu.

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