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Aus: Ausgabe vom 06.07.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Wahl in Frankreich

Bemerkenswert flexibel

Wirtschaftsprogramm der extremen Rechten gefällt Kapitalvertretern
Von Hansgeorg Hermann
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Nicht zum Lachen: Zerrissenes Wahlkampfplakat von Rechtsaußenfrontmann Bardella (Rocbaron, 22.6.2024)

Dass der katholisch-faschistische Milliardär und Medienmogul Vincent Bolloré in diesem Wahlkampf seine Propaganda­maschine anwerfen und seinem »Fohlen« Jordan Bardella vom rechten Rassemblement National (RN) publizistisch und finanziell Auftrieb verschaffen würde, wunderte nicht mal die frommsten Seelen im Land. Bolloré säte am vergangenen Sonntag Unruhe in seiner Hauptstadtzeitung Le Journal du Dimanche und bekam prompt das erwünschte Chaos: Ma­rine Le Pen, nach wie vor Anführerin des RN, ließ das Wahlvolk wissen, der für die vorgezogenen Parlamentswahlen verantwortliche Präsident bereite einen kalten Staatsstreich vor. Emmanuel Macron habe bereits mit der Auswechslung des Führungspersonals an den wichtigsten Schaltstellen der Republik begonnen, bei Polizei, Militär, Finanzen und Bildung. Um zu verhindern, wie Bollorés Helfer streuten, dass eine künftig von Bardella geführte Regierung walten und beschließen könne, wie ihr das nach demokratischen Regeln zustehe.

Dass die großen Wirtschaftsbosse im Land, auch solche, die des strengen Christen Bollorés Nähe in der Regel meiden, einfach das Maul halten und den Mann aus der Bretagne machen lassen, irritierte wenigstens den einen oder anderen Finanzberichterstatter. Die Antwort indes auf das Warum hatte bereits in der Woche zuvor ein Konsortium aus Wirtschaftswissenschaftlern geliefert, das unter dem Namen »Les Économistes atterrés« (Bestürzte Ökonomen) die Wirtschaftspolitik des Landes analysiert und 2010 ein allseits beachtetes »Manifesto« veröffentlicht hatte – eine Abrechnung mit der neoliberalen Ideologie mit detaillierten Vorschlägen, wie dieser seit Margaret Thatchers Tagen nicht nur für die Arbeitswelt fatalen Politik des »werteorientierten Westens« beizukommen sei.

Ihr Fazit: Das zuvor auf einer wirren Pressekonferenz von Bardella vorgestellte Wirtschaftsprogramm des RN gleiche in den wichtigsten Punkten exakt dem des gegenwärtigen Chefs der Republik und dessen Regierung. Bereits am Tag nach der krachenden Niederlage des Präsidentenwahlvereins Ensemble bei den EU-Wahlen am 9. Juni hatte der junge RN-Spitzenkandidat dem französischen Unternehmerverband Medef signalisiert, dass sich mit ihm und seinen Parteifreunden in Fragen der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik reden lasse. Während Macron im Frühjahr 2023 seine Rentenreform mit der Brechstange des Verfassungsparagraphen 49.3 durchsetzte – und zwar vorbei am Parlament –, hatten Le Pen und ihre »Experten« hoch und heilig versprochen, einmal an der Regierung, werde der RN Macrons Reform sofort begraben und das Renteneintrittsalter von aktuell 64 auf 60 Lebensjahre zurückschrauben. Davon ist nun erst mal keine Rede mehr.

Die Bosse sind’s zufrieden. Bardella und seine extrem rechte Truppe? Kein Problem.

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