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Aus: Ausgabe vom 08.07.2024, Seite 15 / Politisches Buch
Geschichte der Arbeiterbewegung

Uneinig und konfliktorientiert

Eine Studie zur Betriebsarbeit der syndikalistischen FAUD
Von Leo Schwarz
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Teilnehmer des FAUD-Kongresses im November 1922 im Erfurter Kaisersaal

Nach der Revolution von 1918/19 gab es in Deutschland neben der reformistisch-sozialdemokratischen und der revolutionär-kommunistischen Strömung für wenige Jahre auch eine syndikalistische Richtung in der Arbeiterbewegung, die zumindest lokal über eine Massenbasis verfügte. Die Historikerin Jule Ehms hat sich in ihrer Dissertation umfassend mit der Betriebsarbeit der damals wichtigsten syndikalistischen Organisation, der Freien Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD), befasst.

Ehms liefert zunächst einen kompakten Überblick zur Geschichte der FAUD bis 1933, bei dem sie nicht verhehlt, dass ab 1924 infolge eines rapiden Mitgliederrückgangs von einer »Marginalisierung« und ab 1930 von einem »Verfall« gesprochen werden muss. In diesem Jahr hatte die FAUD nur noch 9.000 Mitglieder, von denen sie bis 1933 noch einmal mehr als die Hälfte verlor.

Den Hauptteil des Buches bilden Kapitel zur Struktur der FAUD und ihrer Agitationsarbeit, zur Streikpraxis und Rolle der FAUD als »Interessenvertretung im Arbeitskampf« sowie zum Verhältnis der Organisation zum Betriebsrats-, Tarif- und Schlichtungswesen der Weimarer Republik.

Ehms arbeitet insbesondere eine anhaltende »Uneinigkeit in der FAUD« hinsichtlich des Umgangs mit den »staatlich implementierten Strukturen« heraus. Syndikalisten arbeiteten ungeachtet ihres revolutionären Gewerkschaftsprogramms in Betriebsräten mit, »nahmen sogar an Schlichtungsverhandlungen teil und schlossen Tarifverträge ab«. Zumindest teilweise habe sich die FAUD für einen Weg entschieden, »der sich nicht ausschließlich an den eigenen Grundsätzen orientierte, sondern an den Bedürfnissen einer tagespolitischen Interessenvertretung«. Auch das führte 1931 zur Abspaltung der »vergleichsweise dogmatischen Bauarbeiter-Opposition«, die der FAUD »Prinzipienlosigkeit« vorwarf.

Innerhalb der etablierten Strukturen der Interessenregulierung erwiesen sich Mitglieder der FAUD als »nicht weniger professionell« und sachkundig als Mitglieder anderer Arbeiterorganisationen. Ehms weist Einschätzungen zurück wie die, die FAUD sei nach 1923 eine »politische Sekte« gewesen oder habe generell einen »schwachen Praxisbezug« aufgewiesen – die Syndikalistinnen und Syndikalisten hätten sich eben nicht »ab einem bestimmten Punkt allein ihrem Programm gewidmet«. Sie betont zudem den Zusammenhang zwischen basisnaher Organisationsstruktur und konfliktorientierter Praxis.

Jule Ehms: Revolutionärer Syndikalismus in der Praxis. Die Betriebsarbeit der Freien Arbeiter-Union Deutschlands von 1918 bis 1933. Westfälisches Dampfboot, Münster 2023, 371 Seiten, 40 Euro

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