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Lost in Soulville

Von Pierre Deason-Tomory
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Radiokolumnenpraktikant Gustav mit der Hupe hat noch was entdeckt: Blaxploitation mit »Darktown Strutters« (1975)

An einem durchwachten Vormittag hat der depressive Radiokolumnenpraktikant Gustav mit der Hupe beim Fossiliensammeln im digitalen Äther eine aufregende Sendereihe ausgegraben. Sie heißt »Weltradiostunden« und läuft an jedem Freitag vormittag um zehn Uhr beim freien Frankfurter Radio X. Präsentiert werden in fester Reihenfolge vier unterschiedliche Musikshows aus London, Hamburg, Budapest und Jersey City. Am ersten Freitag des Monats ist Jawa Jones mit der Sendung »Wanita« zu hören, ein globales »smorgasbord« (Sammelsurium) weiblicher Acts, gemischt in ihrem gleichnamigen Londoner Club. Am zweiten Freitag kramt das »Biff Bang Pow 60s Radio«, übernommen von FSK Hamburg, knisternden Mittsechzigerjahregaragenrock heraus. Am dritten folgt »Radical Happiness« von Lahmacun Radio aus Budapest, der plattendrehende Musikwissenschaftler Harry Edwards sinnt tönend über die systemstürzenden Potentiale widerspenstiger Kultur nach. In Ungarn! Wer weiß, wie lange noch. »Downtown Soulville«, die »Weltradiostunden«-Stunde am vierten Freitag des Monats auf Radio X, kommt von einer der aufregendsten Stationen in den USA überhaupt, dem Independentsender WFMU Jersey City, den Jim Jarmusch angeblich morgens zu Kaffee und Zigaretten hört. Mr. Fine Wine legt in »Downtown Soulville« eine Stunde lang wortkarg »23 or 24 soul 45s« auf. Auf wfmu.org/playlists/SV kann man ein Archiv mit allen Ausgaben seit 2002 finden.

Radiokolumnenpraktikant Gustav hat es gefunden. Er war schon lange nicht mehr in der Redaktion.

An seiner Stelle schlage ich für die nächsten sieben Hörfunktage vor: Den neuen »ARD-Radiotatort« aus Bremen, »Zu heiß gewaschen« von Ben-Alexander Safier und Janine Lüttmann; junger Mann legt sich in Kiste und fällt in die Weser. Tragisch. (Fr., 19.04 Uhr, WDR 3; 19.05 Uhr, Radio 3; Sa., 17.04 Uhr, WDR 5; 19.04 Uhr, HR 2 Kultur, SWR Kultur; 20.03 Uhr, Bayern 2; So., 17.04 Uhr, SR 2; 18.05 Uhr, Bremen 2; 19.03 Uhr, NDR Kultur) Die Kollegen vom »Zeitfragen-Feature« erinnern daran, dass es eine »Neue Verfassung nach der Wiedervereinigung« nicht gegeben hat (Mi., 19.30 Uhr, DLF Kultur). BR Klassik hat schon »Höhepunkte vom Rudolstadt Festival 2024«, es folken und tanzen Zugereiste u. a. aus Schottland, Norwegen, ­Syrien, der Slowakei und Bayern (Do., 22.05 Uhr). In »Braunvieh, Ziegenmist und Bergkartoffeln« erzählen vom Aussterben bedrohte Bergbauern von den Freuden und Widrigkeiten des alpinen Lebens (Fr., 20 Uhr, SRF 2).

Zum Samstag abend lieber Hörspielklassiker oder alte Oper? Es gibt »Der Krieg mit den Molchen (1/2)« von Karel Čapek (Rundfunk der DDR 1981, 19.04 Uhr, WDR 3) und »Achille in Sciro« in der Fassung von Johann Friedrich Agricola, aufgenommen im April vom Philharmonischen Orchester Altenburg Gera (19.05 Uhr, DLF Kultur). Der »Ohrenbär« am Sonntagmorgen ist ein Fall für die CSU: Es geht bei »Papageien für Amsterdam« (!) um Käpt’n Bellmann und seinen Kutter »Seegras« (!). Da wird auch Gustav wieder wach (7.05 Uhr, ­Radio 3). Von einem »Hundeleben 1892« handelt eine Geschichte von Oskar Panizza, in der die Köter reden und die Menschen kläffen; hier als hochkarätig besetzte Inszenierung von Heinz von Cramer (BR 1987, So., 15.05 Uhr, Bayern 2). Schließlich starten am Montag zwei Serien: der Zehnteiler »Todesangst« von Andreas Jungwirth (Ursendung, MDR 2024, ab Mo., 9.04 und 19.04 Uhr, MDR Kultur) und im »Radiokolleg« vier Module »100 Jahre surrealistisches Manifest« (Mo. bis Do., 9.30 Uhr, Ö 1). Vermutlich zu früh für Gustav.

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