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Aus: Ausgabe vom 09.07.2024, Seite 6 / Ausland
Japan

Amtsinhaberin setzt sich durch

Japan: Bei den Gouverneurswahlen in Tokio gewinnt Koike Yuriko
Von Igor Kusar, Tokio
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Schön ordentliche Wahlkampfwerbung für die Abstimmung zum Gouverneursposten in Tokio (27.6.2024)

Es war ein Start-Ziel-Sieg der Amtsinhaberin Koike Yuriko, die am Sonntag die Gouverneurswahlen in Tokio klar gewonnen hat. Sie war als Favoritin ins Rennen gegangen. Vor einer Woche wurde es trotzdem spannend, als Umfragen zeigten, dass ihr Vorsprung zu ihrer Rivalin Renhō Saitō auf fünf bis zehn Prozentpunkte zusammengeschrumpft war. Koike, die sich im Wahlkampf bis dahin zurückgehalten hatte, trat danach öfter auf Wahlveranstaltungen auf. Der Wahltag machte dann alles klar: Mehr als vierzig Prozent der abgegebenen Stimmen entfielen auf sie, mehr als doppelt soviel wie auf ihre Herausforderin. Zwischen beide schob sich mit einem Endspurt noch der Politiker und Youtuber Ishimaru Shinji, der als Stimmenklauer sowohl des konservativen Koike-Lagers als auch des linksliberalen Renhō-Lagers fungierte.

Gegen die geballte Macht aus den rechten Regierungsparteien LDP (Liberaldemokraten) und Komeito und dem größten Gewerkschaftsdachverband Rengo, die Koike unterstützten, war Renhō schließlich chancenlos. Diese schaffte es nicht, als »Kandidatin für alle« akzeptiert zu werden. Vor allem im konservativen Lager hat sie, die meist kein Blatt vor den Mund nimmt, viele Feinde. Ihre Wahlversprechungen waren zu schablonenhaft und allgemein, als dass sie einen wesentlichen Unterschied zur Amtsinhaberin hergestellt hätten. Renhō blieb denn auch bei den sogenannten unorganisierten Wählern hinter Koike und Ishimaru zurück und stützte sich schließlich vor allem auf die Stammwähler der Mitte-links-Opposition.

Die deutliche Niederlage Renhōs ist denn auch ein Schock für Japans größte Oppositionspartei, die Konstitutionell-Demokratische Partei (KDP), der die 56jährige bis vor kurzem angehörte. Die KDP wird ihre Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei Japans (KPJ), mit der sie zusammen Wahlkampf führte, sicherlich wieder einmal auf den Prüfstein stellen, mit möglichen Konsequenzen für die nationale Politik.

Koike andererseits schaffte es, negative Publicity – etwa eine mutmaßliche Fälschung ihrer Abschlussurkunde der Universität Kairo – aus dem Wahlkampf herauszuhalten, mit gütiger Hilfe der Mainstreammedien. Liberale Kommentatoren sprachen nach Koikes Wahlsieg denn auch von einem Skandal: Die Wähler seien hinters Licht geführt worden und hätten nicht gemerkt, dass Koikes Karriere auf Lügen gebaut sei. Für Japans Premierminister Kishida ­Fumio (LDP), der in letzter Zeit kräftig Federn lassen musste, ist Koikes Sieg eine willkommene Atempause. Allerdings bedeutet das Wahlresultat nicht, dass die Wähler der LDP der Partei den Korruptionsskandal verziehen hätten.

In der Stadtpolitik Tokios wird sich nichts ändern: Eine Portion Neoliberalismus, eine Portion Konservatismus, eine große Portion Klientelpolitik und einige Brosamen für die Abgehängten sind die Zutaten derselben. So sagte Koike einmal in einem Interview, ihr großes Vorbild sei die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher, die mit ihrem »Big Bang« die Finanzwirtschaft revolutioniert habe. Koike will auch Tokio in ein Finanzzentrum verwandeln und ausländische Unternehmer anlocken. Für gewöhnliche Menschen wird die Stadt immer unbewohnbarer, die Mieten steigen rapide an. Dagegen sind Koikes Mietzuschüsse bloß ein Tropfen auf den heißen Stein.

In der Kritik steht jedoch vor allem ihre Klientelpolitik. Tokios Gouverneur verfügt qua Amt über ein Budget, das das des japanischen Premiers übersteigt. Koike verschwendet das Geld meist für Bauvorhaben. Nutznießer ist vor allem das Unternehmen Mitsui-Immobilien. Vor kurzem wurde bekannt, dass Spitzenbeamte aus Tokios Verwaltung zu Mitsui wechselten.

Die Gouverneurswahlen haben eine heiße Phase in der japanischen Politik eingeläutet. Im September finden sowohl bei der LDP als auch bei der KDP Parteiwahlen statt. Vor allem KDP-Chef Izumi Kenta steht nach dem Renhō-Debakel in der Kritik. Und im Oktober könnte ein neuer LDP-Chef vorgezogene Unterhauswahlen ausrufen – mit ungewissem Ausgang.

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