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Aus: Ausgabe vom 09.07.2024, Seite 8 / Ansichten

Widerspenstiges Volk

Stichwahlen in Frankreich
Von Hansgeorg Hermann
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Damit hatte der Staatschef nicht gerechnet: Frankreichs Linke siegt über Ultrarechte und das Macron-Lager (Paris, 7.7.2024)

Das von seinem Präsidenten seit sieben Jahren gesellschaftspolitisch auf Distanz zur Kaste der Staatsdiener gehaltene, von ihm oft offen verachtete Volk der Franzosen hat am Sonntag nicht nur sich selbst, sondern allen gleichgesinnten Menschen in Europa ein bisschen Hoffnung gemacht. Der überall neu erwachende und anscheinend unaufhaltsam an Macht zulegende Faschismus – nicht anders sind Bewegungen wie der Rassemblement National (RN) bei genauer Betrachtung zu definieren – kann also doch gestoppt werden.

Die Menschen im Nachbarland waren schon immer stolz darauf, als renitente, sich ungern in staatliche Ordnung fügende Ausnahme der – in ihren Augen – vor allem von Deutschen gesetzten gesamteuropäischen Regeln zu gelten. Macron hat das nicht bedacht, als er am 9. Juni das Parlament auflöste und offenbar annahm, die 50 Millionen Wähler würden den Rücken krumm machen und lieber ihm, dem »Präsidentenkönig« und dessen weisen Entscheidungen, folgen, als »Linksradikale« an die Regierung zu wählen. Das ging erfreulicherweise anders aus. Die Verfassung schreibt Macron vor, dass er nun mindestens ein Jahr warten muss, bis er das Parlament erneut auflösen kann.

Verloren hat er die relative Regierungsmehrheit seines rechtsliberalen Wahlvereins Ensemble an die von ihm ständig als »radikale Chaostruppe« beschimpfte Volksfront. Verloren hat er nun wohl auch seinen politischen Einfluss auf die Bosse der französischen Wirtschaft, die sich mit der Möglichkeit einer RN-geführten Regierung längst abgefunden und sich auf die Zusammenarbeit mit dem erfahrungslosen Jordan Bardella bereits vorbereitet hatten. Dass es nun doch nicht dazu kam, regte die Finanzplätze am Montag wenig auf. Die Werte gaben ein bisschen nach, und die »Märkte« stellen sich für die nächsten zwölf Monate auf eine »unstabile« politische Situation ein, hieß es bei der Deutschen Bank. Ein französisches Paradies für Börsenhaie also, denen »unstabile« Verhältnisse meist sehr stabile Wettgewinne versprechen.

Als brüchig könnte sich allerdings das Zusammenspiel der linken Allianz, des Nouveau Front Populaire, erweisen. Ob der die bisherige gemeinsame Linie wird halten können – »keine Koalition mit Macrons Ensemble, gemeinsames Programm durchziehen« –, wird davon abhängen, wie sich die Anführer der vier Gründungsparteien verhalten. Jean-Luc Mélenchon etwa, der sich immer noch in die erste Reihe vordrängt, obwohl ihn dort selbst die meisten eigenen Leute nicht mehr sehen wollen.

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