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Aus: Ausgabe vom 09.07.2024, Seite 16 / Sport
Fernsehsport

EM-Depesche (21)

Fußball-Fatigue
Von Jürgen Roth
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England gerettet, Slowakai am Boden (30.6.2024)

»Wir müssen all-in gehen.« Sagen sie alle. Pausenlos. »All-in« (H. Flick). Ich bin so bescheuert und gehe seit mehr als drei Wochen medienmäßig all-in. Why not all-out?

Ich bin’s leid. Seit Jahren bemängele ich, dass diese Fußball-Lemuren keinen Komparativ mehr bilden können. Und was spuckt zum Beispiel ein Wicht wie Marco Hagemann auf RTL neulich aus? »Die Slowaken wirken mehr müde.« Ich wirke auch mehr müde, behauptet meine Mutter.

Nehmen wir einfach die B-Buben. Tom Bartels befindet sich »im permanenten Auge des Orkans«. Michael Ballack erspäht, dass sich jemand »in diese Fußstapfen drückt«. Bartels wiederum: »Der geht fast in den Kniestand.« Und zwar »risikovoll«. Was womöglichvoll »ein Gedanke zuviel« (Bartels) gewesen sein dürfte.

Gleichwohl, »viel öfter hätte er diese Situation rausprovozieren müssen« (Bartels), weil, das mahnt Hanno Balitsch an, »es ist auch wichtig, sich gegenseitig zu emotionalisieren«, um die »Restverteidigung« nicht letztendlich der Resteverwertung zuzuführen, und ohnehin ist rein rechnerisch klar: »Wenn ich mit sieben Mann hinterm Ball steh’, wird’s schwierig, vorne einen anzuspielen«, es sei denn, da stehen noch drei Mann, die vorm Ballack rumhängen – oder so.

Die gnadenloseste Pein ist Thomas Broich. Der will »direkter umschalten, total geschmeidig«, erachtet in seinen speziellen »Mind games« eine Mannschaft als »untertroffen«, ertastet »vulnerable Räume« und spürt sodann: »Flankenqualität lässt gefühlt auch ’n bisschen nach.« Hoffentlich lässt’s unnerum nicht zu wünschen übrig.

Ich möchte Olaf »B.« Thon recht geben, der im ARD-»Morgenmagazin« vom 4. Juli stammelte: »Sie sind sich immer mehr am Verbessern.« Und naturgemäß Alexus Bommerlunder feiern. Der Mann ist in seiner »Leckt-uns-doch-Mentalität« keineswegs untertroffen. Bommi zu Schweini auf dem »Pitch« (alle): »Was ist dein Wachgefühl?« Oder: »Die Niederländer werden relativ stark zerfleischt.«

Der eisgekühlte Bommes ist ein Monument der globalistischen, Habeckschen Hohl- und Hülsensprache, die sich säuisch in ihrem eigenen Schnodderschlamm wälzt. »Das ist wahrscheinlich die Lexikondefinition für diesen Satz gewesen.« So habe ich Bommo vor drei Jahren in dieser Zeitung zitiert. Und vor ein paar Tagen emittierte er was? »Musiala ist die Lexikondefinition von Geschmeidigkeit irgendwie«.

Ich bin’s leid. Sprachkritik? Sinnlos. Ich bin Pazifist. Ich könnte von morgens bis abends reinschlagen.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Olaf D. aus Frankfurt (8. Juli 2024 um 21:14 Uhr)
    Lieber Jürgen Roth, in der ZDF-Mediathek ist eine schöne Dokumentation zum WM-Halbfinale von 1982 Deutschland–Frankreich mit dem Titel »Die Nacht von Sevilla« zu finden. Wahrscheinlich kennst Du sie schon. Die Dokumentation zeigt unter anderem, dass Anfang der achtziger Jahre noch einige Fernsehjournalisten in der Lage waren, druckreif zu sprechen, und sie erinnerte mich daran, welch redlicher (mag jetzt sehr bieder klingen) und sympathischer Mensch Pierre Littbarski ist. Vielen Dank für Deine EM-Notizen aus der mittelfränkischen Provinz. Olaf D.

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