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Aus: Ausgabe vom 11.07.2024, Seite 16 / Sport
Fußball-EM

EM-Depesche (23)

I soag’ nix
Von Jürgen Roth
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Ein Rolf Kramer wusste das zu kommentieren: Uli Stielike nach seinem verschossenen Elfmeter gegen Frankreich in der Nacht von Sevilla 1982 (es wurde dann doch noch alles gut)

Der Große Malaka vom »Seven Bistro« schwieg. Er hockte ein wenig nach vorne gebeugt auf einem Gartenstuhl neben dem Eingang, gewissermaßen in buddhistischer Ist-mir-wurscht-Haltung, und schaute dennoch betrübt.

Er trank nicht, er rauchte nicht.

Ich ging zu ihm hin und fragte: »Was ist los, Malaka?«

Malaka sagte: »Ich müde.«

»Warum? Zuviel fickificki?«

»Zuviel fickificki.«

Wahrscheinlich war’s nur das schwüle Wetter. Man wird ja nicht jünger.

Ich setzte mich an den Nebentisch. Ich brauchte ja ein Thema für diese Kolumne.

Der Maurer und der Spitzentrinker wollten sich jedoch zu nichts äußern. Also sprach ich irgendwann die Sache mit dem Club an – wann die zweite Liga wieder losgehe, was der Weltmeister Klose bewegen könne – et cetera.

Da brummte der Spitzentrinker mit dem Beckett-Gesicht los: »Es gebert fei welche, die foahra nemmer naus zum Club. Ein Sieg, fünf Niederlagen, des is’ der Club. Des dun die sich nemmer an.«

Damit war der Fußballbistroabend beendet.

Ich ging nach Hause und stieß auf einen Leserbrief zu einer meiner EM-Depeschen. Es kursiert das Gerücht, Autoren seien nicht eitel. Stimmt. (Nicht.)

Ich freute mich. Ein Abonnent aus Frankfurt bedankte sich für meine »EM-Notizen aus der mittelfränkischen Provinz« und wies mich auf eine Dokumentation des ZDF zum WM-Halbfinale 1982 hin. Und er schrieb: »Die Dokumentation zeigt unter anderem, dass Anfang der 80er Jahre noch einige Fernsehjournalisten in der Lage waren, druckreif zu sprechen, und sie erinnerte mich daran, welch redlicher (mag jetzt sehr bieder klingen) und sympathischer Mensch Pierre Littbarski ist.«

Alles wahr. In diesem Krawallblatt habe ich im November 2021 einen Essay über die Nacht von Sevilla veröffentlichen dürfen. Ich hatte vorher den damaligen TV-Kommentator Rolf Kramer angerufen, um um ein Interview zu ersuchen.

»Ach, Herr Roth«, sagte Rolf Kramer am Telephon, »muss man darüber noch reden?«

»Sie waren ein Held meiner Jugend.«

»Aber ich möchte nicht mehr darüber reden. Es war eine andere Welt. Diese Welt gibt es nicht mehr.«

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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