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Aus: Ausgabe vom 12.07.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Wahlen in Frankreich

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Frankreichs stinkreiche politische Eliten machen Politik gegen das Volk
Von Hansgeorg Hermann
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Reinemachen vor hohem Besuch aus dem Weißen Haus: Roter Teppich vor dem Élysée-Palast (Paris, 8.7.2024)

Passend zur politischen Situation: Am Montag veröffentlichte die französische Transparenzbehörde HATVP (Haute Autorité pour la transparence de la vie publique) einen Bericht, der über die privaten finanziellen Verhältnisse und Möglichkeiten der Minister in den bisherigen Regierungen des Präsidenten Emmanuel Macron im speziellen und der bürgerlich-rechten Abgeordneten der Nationalversammlung im allgemeinen Auskunft gibt.

Das vorweggenommene Fazit des Konsortiums, das vor allem nach »individueller Bereicherung« und möglichen »Interessenkonflikten« Ausschau hält: Das »Studium der Vermögenserklärung« von 34 Mitgliedern der Regierung habe ergeben, dass »mehr als die Hälfte von ihnen Multimillionäre sind«. Das erhärte den Eindruck, dass der Staatschef und seine Leute »den Kontakt zum wirklichen Leben der Franzosen verloren haben«. Sofern sie ihn denn ja hatten. »Land und Wertpapiere« sind demnach die bevorzugten Investitionen in der dem Normalbürger – von den Eliten hauptsächlich als Stimmvieh wahrgenommen – sich kaum erschließenden politischen Szene. Die Repräsentanten des Volkes seien Immobilienbesitzer, Aktionäre, Börsenwetter, auch Erben größerer Vermögen und Profiteure beachtlicher Lebensversicherungen. Kurz: Macrons Minister und Ministerinnen seien »reine Erzeugnisse eines besitzreichen Großbürgertums«.

Im ungewissen bleibt vorerst die »Fortune«, französisch für Vermögen, des Staatschefs selbst. Der ehemalige Investmentbanker des Geldhauses Rothschild darf als Multimillionär bezeichnet werden, seit er 2012 für seine damalige Firma den Kauf der Kindernahrungssparte des Pharmariesen Pfizer an den Agroalimentärgiganten Nestlé erledigte. Aufgebaut zum Politiker, der sich in künftigen Regierungen vor allem um die Befindlichkeiten der großen Konzerne des Landes zu kümmern hätte, plazierten die Agenten des Kapitals Macron als angeblichen »Mozart der Finanzen« glatt und problemlos im Machtzirkel des damaligen sozialdemokratischen Staatschefs François Hollande. Sein zu der Zeit geschätztes Vermögen: rund drei Millionen Euro. Nicht mitgerechnet Familienbesitz und das Vermögen, das Ehegattin Brigitte in seiner gutbürgerlich-provinziellen Heimatstadt Amiens hält.

Richtig »Fric« (Zaster) wird er allerdings nicht als Präsident der Republik einstreichen, sondern dereinst, wenn man ihn als Politikrentner wie seinen Berater Nicolas Sarkozy zu Vorträgen in die Chefetagen der Großkonzerne einlädt. Sarkozy, der die Nation »republikanisch« von 2007 bis 2012 anführte, machte selbst öffentlich nie ein Geheimnis daraus, dass sich an seine Zeit als Chef der Nation eine fruchtbare Epoche des Geldhäufens anschließen würde. Seit Jahren lässt er Bücher unter seinem Namen veröffentlichen und erreicht mit ihnen erstaunliche Auflagen, bisweilen in Millionenhöhe. Für knapp einstündige Reden vor ausgewähltem Publikum tritt der in mehreren Korruptionsprozessen angeklagte Spezi des aktuellen Präsidenten für ein Salär auf, das nie unter 50.000 Euro abzurechnen sei, staunten nicht nur französische Wirtschaftszeitungen in den Jahren nach seinem Abgang aus dem Élysée.

In dem Palais hat sich nun seit sieben Jahren Macron eingerichtet. Sein sozusagen berufsbezogen zu interpretierendes Budget für das tägliche Leben im Palast betrug im vergangenen Jahr 118 Millionen Euro. Zuwenig offenbar, Macron und Gattin Brigitte mussten es gezwungenermaßen wegen explodierender Lebenshaltungskosten um 17 Prozent aufstocken, wie Pariser Tageszeitungen nachrechneten.

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