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Aus: Ausgabe vom 12.07.2024, Seite 7 / Ausland
Iran

Alles beim alten im Iran?

Künftiger Präsident Peseschkian kritisiert bisherige Außenpolitik, lässt aber noch keine neue erkennen
Von Knut Mellenthin
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Peseschkian mit Exaußenminister Dschawad Sarif (vorne links) und Unterstützern in Teheran am Sonnabend

Irans nächster Präsident Massud Peseschkian wird, wie am Donnerstag bekanntgegeben wurde, am 30. Juli sein Amt antreten. Der langjährige Parlamentsabgeordnete hatte in der Stichwahl am vergangenen Freitag klar gegen den als außenpolitischer »Hardliner« geltenden Said Dschalili gewonnen. In insgesamt sieben Fernsehdiskussionen während der Wahlkampagne hatte Peseschkian eine umfassende Verständigung mit dem Westen gefordert, um eine Aufhebung der Sanktionen zu erreichen. Anderenfalls sei es unmöglich, eine Verbesserung der Wirtschaftslage durchzusetzen. Das Land leidet unter anderem unter einer anhaltend hohen Inflation. Dschalili hatte dagegengehalten: Der Iran müsse den Westen zum Verzicht auf die Strafmaßnahmen »zwingen«. Beide Konkurrenten vertieften ihre Standpunkte nicht weiter. In Wirklichkeit scheint die eine These so unrealistisch wie die andere.

Während der Wahlkampagne, die nur wenige Wochen dauerte, wie es im Iran üblich ist, tauchte der frühere Außenminister Dschawad Sarif immer wieder an der Seite von Peseschkian auf. Sogar bei dessen erster Ansprache nach dem Wahlsieg stand Sarif in seiner Lieblingspose – ohne erkennbaren Grund ausgelassen lachend – direkt neben ihm. Irgendwann soll Peseschkian die Absicht angedeutet haben, im Fall seiner Wahl Sarif als Außenminister zurückzuholen. Zuverlässig überprüfen lässt sich das nicht. Ebenso zweifelhaft scheint, ob Sarif ein solches Angebot wirklich mit der Begründung abgelehnt hat, das demnächst zu ernennende Kabinett solle »Raum für junge Experten« bieten und dass Menschen wie er, die über viele Jahre auf unterschiedlichen Staatsposten waren, nicht an der Regierung beteiligt werden sollten.

Sarif war Außenminister unter Präsident Hassan Rohani in den Jahren 2013 bis 2021. Als seine Hauptleistung gilt die Aushandlung des internationalen Wiener Atomabkommens. Der sogenannte JCPOA (Joint Comprehensive Plan of Action) wurde im Juli 2015 unterzeichnet, als Barack Obama Präsident der USA war. Dessen Nachfolger Donald Trump ordnete im Mai 2018 den Ausstieg aus den Vereinbarungen und die Wiederinkraftsetzung aller Sanktionen an. Rohanis Regierung ließ sich vom europäischen Trio Deutschland, Frankreich und Großbritannien ein ganzes Jahr lang mit leeren Versprechungen hinhalten, bevor sie ab Mai 2019 schrittweise die Erfüllung der Verpflichtungen aussetzte, die Iran mit dem Abkommen übernommen hatte.

Im April 2021, also in den letzten Monaten seiner Amtszeit, wurde ein mehrstündiges Videogespräch mit Sarif bekannt, in dem er das iranische Parlament, den Kommandeur der iranischen Auslandseinsätze, Kasem Soleimani, und den russischen Außenminister Sergej Lawrow für das Scheitern des Wiener Abkommens verantwortlich machte. Offenbar sollte das nicht zur Veröffentlichung bestimmte Video Material zu einer geplanten historischen Selbstrechtfertigung und -glorifizierung von Rohani und Sarif liefern. Soleimani konnte sich gegen die Vorwürfe, die nur aus unbewiesenen Behauptungen bestanden, nicht mehr wehren: Er war im Januar 2020 bei einem von Trump angeordneten gezielten Angriff getötet worden.

Nicht nur wegen dieser Äußerungen, sondern auch wegen des umstrittenen Inhalts und Werts des Nuklearabkommens ist Sarif eine stark polarisierende Figur. Dass er noch einmal Außenminister werden könnte, ist unwahrscheinlich – nicht zuletzt, weil der Präsident seine Minister nur mit Zustimmung des Parlaments ernennen darf. Das wird seit der Wahl im März und den notwendigen Stichwahlen im Mai noch eindeutiger von den »Konservativen« beherrscht als zuvor schon.

Einstweilen herrscht Ruhe vor dem Sturm: Peseschkian hat versichert, dass er den Anweisungen des »obersten Revolutionsführers« Ali Khamenei folgen wird, der laut Verfassung höchsten religiösen und politischen Autorität der Islamischen Republik. Weiter hat er verlautbart, an der Unterstützung der iranischen Verbündeten im Libanon, im Irak, im besetzten Palästina und im Jemen festhalten zu wollen. Auch die vom Parlament als Reaktion auf den Bruch des Wiener Abkommens beschlossene Ausweitung des zivilen Atomprogramms will er fortsetzen.

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