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Aus: Ausgabe vom 12.07.2024, Seite 8 / Inland
Autobahnbau in Nordrhein-Westfalen

»Mitten in der Klimakrise ist das Wahnsinn«

Stadt Köln lässt für Ausbau der Autobahn A 4 Naturschützer aus Gremberger Wäldchen räumen. Ein Gespräch mit Alix Okinawa
Interview: Gitta Düperthal
(c) Alix Okinawa (2).jpg
Angeblich eine Gefahr für die »öffentliche Ordnung«: Baumhaus im besetzten Gremberger Wäldchen bei Köln (26.6.2024)

Eine Gruppe von Waldbesetzerinnen und Waldbesetzern zog im Juni in das Gremberger Wäldchen nahe Köln, um gegen die geplante Rodung zu protestieren. Die Autobahn A 4 soll von sechs auf acht Spuren ausgebaut werden. Ihr Camp wurde am 3. Juli geräumt. Was ist an dem Tag geschehen?

Plötzlich standen unangekündigt viele Polizistinnen und Polizisten im Wald, mindestens eine Hundertschaft. Sie machten eine Durchsage, dass die Aktivistinnen und Aktivisten die Plattformen auf den Bäumen verlassen sollten. Von 23 Menschen nahmen sie die Personalien auf, erteilten Platzverweise und räumten die Waldbesetzung. Dabei gingen sie mit Motorsägen rabiat durch den Wald, sägten Baumhäuser teils aus den Bäumen heraus und haben viel zerstört. Bis zu 20 Bäume fielen. Persönliche Habe und Wertgegenstände von uns übergaben sie dem Abfallwirtschaftsbetrieb zum Schreddern. Bis heute versuchen wir, zumindest einiges von der Polizei wiederzubekommen, bislang erfolglos.

Zuvor hatte die Stadt Köln Sie aufgefordert, den Wald zu verlassen, da er durch die Besetzung geschädigt würde.

Das ist absurd. Laut dem Bundesverkehrswegeplan 2030, der 2016 verabschiedet wurde, soll das Waldstück durch die Autobahn GmbH teilgerodet werden. Der »Grembi« weist alten und wertvollen Baumbestand auf. Für anliegende Stadtteile, in denen viele Menschen in beengten Wohnverhältnissen leben, stellt er einen vielgenutzten Erholungs- und Rückzugsort dar. Das Grünflächen- und Forstamt der Stadt argumentierte, unsere Besetzung stelle eine »Gefahr für die öffentliche Sicherheit« dar. Sich auf eine angebliche Gefahrenlage zu berufen ist unlogisch, vor allem, wenn man betrachtet, was die Polizei bei der Räumung anrichtete. Wir hatten zusammen mit Ökologinnen und Naturschützern einen geeigneten Platz für unsere Besetzung ausgewählt. Bei zwei heftigen Stürmen im Wald passierte gar nichts. Statt unseren Protest zu delegitimieren, sollte die Stadt Köln die Pläne für den Aus- und Neubau von Autobahnen zurückweisen.

Bei »Gefahrenlage« war die Rede von möglicherweise herunterfallenden Ästen oder ähnlichem?

Was sonst? Die Idee, dass wir als Gruppe gefährlich wären, wäre noch absurder. Weit davon entfernt, ein »schwarzer Block« zu sein, sind wir im Gegenteil sehr behutsam vorgegangen. Wir haben das Gespräch mit Anwohnenden und Spaziergängern gesucht. Viele haben aus Solidarität Essen und andere Dinge vorbeigebracht. Kitagruppen kamen in den Wald, um uns zu besuchen. Mit Bürgerinitiativen sind wir eng verbunden.

Der Rat der Stadt Köln hat 2019 den Klimanotstand ausgerufen und so bestätigt, dass das Eindämmen des Klimawandels in der städtischen Politik bei allen Entscheidungen grundsätzlich zu beachten ist. Jetzt aber will man weitermachen: Der Ausbau der A 4 vom Autobahnkreuz Köln-Süd bis zum Autobahnkreuz Köln-Gremberg, Rodenkirchener Brücke inbegriffen, soll 2030 beginnen, zehn Jahre andauern und mindestens 700 Millionen Euro kosten. Die Stadt verliert jede Glaubwürdigkeit, wenn sie Pläne, den Wald zu zerstören, mitträgt. Kein Quadratmeter Natur darf mehr mit Asphalt überzogen werden.

Selbst eine Mahnwache wurde Ihnen verboten.

Dass die geräumt und verboten wurde, stellt aus unserer Sicht eine Aushebelung von demokratischen Grundrechten dar. Eine Unterstützergruppe der Waldbesetzung reichte Eilklage gegen die Auflösung der Versammlung ein.

Wie wird es weitergehen?

Unser Widerstand gegen diesen Wahnsinn, die Zerstörung der Natur und den Bau der Autobahn mitten in der Klimakrise, ist mit der polizeilichen Räumung nicht beendet. Wir treffen uns weiterhin wöchentlich und haben eine gute Vernetzung aufgebaut. Für Sonnabend mobilisieren wir für einen Waldspaziergang, Bürgerinitiativen werden mit am Start sein. Wir lassen uns nicht einschüchtern.

Alix Okinawa ist Sprecherin der geräumten Waldbesetzung im »Gremberger Wäldchen«

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren. Denn nicht allen lernen die junge Welt kennen, da durch die Beobachtung die Werbung eingeschränkt wird.

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