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Aus: Ausgabe vom 12.07.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Finanzpolitik

KPCh im Modus

China kappt Spitzengehälter von Bankern in staatseigenen Finanzkonzernen
Von Jörg Kronauer
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Erklärtes Ziel ist »gemeinsamer Wohlstand«: Am Mittwoch empfing Xi Jinping in der Halle des Volkes den Premierminister von Bangladesh

China schraubt die riesigen Gehälter in der Finanzbranche ein weiteres Stück zurück. Die Obergrenze für die Jahreseinkünfte in staatseigenen Finanzkonzernen wurde auf rund drei Millionen Renminbi Yuan festgelegt, etwa 380.000 Euro. Wie die Tageszeitung South China Morning Post in der vergangenen Woche berichtete, soll die Kappung rückwirkend gelten; wer zuletzt mehr als drei Millionen Renminbi Yuan verdient hat, wird demnach die überschüssige Summe an sein Unternehmen zurückzahlen müssen.

Dies trifft, sofern die Vorschrift tatsächlich umgesetzt wird, Führungspersonal wie Zhang Youjin, den Chef von CITIC Securities, dessen Jahresgehalt im vergangenen Jahr bereits von 5,6 Millionen Renminbi Yuan (2022) auf 5,05 Millionen Renminbi Yuan gesenkt wurde und nun weiter zurückgeschraubt werden muss. Gleichzeitig werden Gehälter gesenkt, die unterhalb der neuen Obergrenze liegen, aber immer noch außerordentlich hoch sind. So sank das Durchschnittsgehalt bei CITIC Securities im vergangenen Jahr um 5,3 Prozent auf 792.000 Renminbi Yuan pro Jahr – gut 100.000 Euro.

Die schwindelerregenden Höhen der Einkommen in chinesischen Finanzkonzernen sind ein Ergebnis des im vergangenen Jahrzehnt energisch vorangetriebenen Bemühens, die Branche nach westlichen Vorbildern zu modellieren, um ihre Schlagkraft zu verstärken und ihre Operationen zu internationalisieren. Die Gehälter gingen auch rasant nach oben, um Spitzenpersonal anzulocken bzw. im Land zu halten; schließlich gab es bei der westlichen Konkurrenz extrem viel Geld zu verdienen. Die Investmentbank China International Capital Corporation (CICC) etwa steigerte die Durchschnittsgehälter von 700.000 Renminbi Yuan im Jahr 2018 auf 1,15 Millionen Renminbi Yuan im Jahr 2020. Zwar nahmen auch die Durchschnittslöhne zu, die im Jahr 2000 32.189 Renminbi Yuan (gut 4.000 Euro) erreichten; 2023 lagen sie bei 39.218 Renminbi Yuan (knapp 5.000 Euro). Die klaffende Differenz zwischen ihnen und den Gehältern, die man in der Finanzbranche erzielen kann, spricht allerdings für sich – und sie kommt in der Bevölkerung nicht gut an.

Beijing ist seit einigen Jahren dabei, die Exzesse einzudämmen – auch, weil unter Präsident Xi Jinping seit dem Jahr 2021 »gemeinsamer Wohlstand« (»common prosperity«) wieder zu einem offen erklärten Ziel der chinesischen Politik geworden ist. Bis 2035 soll er erreicht werden, wobei laut offiziellen Angaben ausdrücklich nicht Gleichheit darunter zu verstehen ist. Es soll allerdings wieder stärker von oben nach unten umverteilt werden. Die offiziell festgelegten Mindestlöhne steigen; zudem nehmen die Anstrengungen, bezahlbaren Wohnraum für Personen mit niedrigem Einkommen zu schaffen, zu. Und es werden auch Schritte gefördert, die allenfalls symbolischen Wert haben, aber eine Zielrichtung vorgeben sollen. So wurden Milliardäre wie Liu Qiangdong, Gründer des Onlinehändlers JD.com, veranlasst, Milliardenbeträge zu spenden. Banker werden angehalten, nicht mehr mit teurer Kleidung und Luxusgegenständen zu protzen und nicht mehr in Fünfsternehotels zu übernachten.

In diesen Kontext gehört, dass staatliche Finanzkonzerne im Jahr 2022 begonnen haben, die exzessiven Gehälter zu kürzen. Bei CITIC Securities etwa sanken die Durchschnittsgehälter von 2021 bis 2022 um 5,88 Prozent, bei China Securities um 19,74 Prozent, bei CICC sogar um 46,82 Prozent. Gekürzt wurden, zumindest laut offiziellen Angaben, auch Boni und allerlei Sonderleistungen, mit denen Banker ihre hohen Einkommen noch weiter aufstocken. Im vergangenen Jahr wurden mehr als hundert Korruptionsverfahren gegen Finanzbeamte eingeleitet, in diesem Jahr bereits über 30. Zu dem Trend passt, dass die Zahl der Dollarmilliardäre in der Volksrepublik inzwischen zurückgeht; aktuell liegt sie laut der Hurun Global Rich List bei 814 – 155 weniger als im Jahr zuvor, während die Zahl der Milliardäre weltweit rasch steigt. Der Gini-Koeffizient allerdings, der – trotz aller Unzulänglichkeiten – einen gewissen Eindruck von der Ungleichheit in einem Land bietet, pendelt in China seit Jahren zwischen 46,5 und 46,8. Im internationalen Vergleich ist das viel; in Deutschland lag der Gini-Koeffizient zuletzt bei 28,2.

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