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Aus: Ausgabe vom 13.07.2024, Seite 2 / Inland
Kindersoldaten aus Bayern

»13,9 Prozent der Rekrutierten sind Minderjährige«

Bayern: Gesetz zur Förderung der Bundeswehr vor Verabschiedung. Schulen und Offiziere sollen kooperieren. Ein Gespräch mit Martina Borgendale
Interview: Fabian Linder
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Was wirklich zählt? Schülerinnen beim »Girls Day« im Bundesverteidigungsministerium (Berlin, 28.4.2016)

Die bayerische Landesregierung plant, in der kommenden Woche ein Gesetz zur Förderung der Bundeswehr zu verabschieden. Was ist mit Blick auf die Schulen zu erwarten?

Bisher hatten Lehrkräfte und die Schulen selbst die Möglichkeit zu entscheiden, ob und wie man die Bundeswehr in den Sozialkundeunterricht einbindet. Mit dem geplanten Gesetz heißt es künftig im Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz, dass die Schulen mit den Jugendoffizieren im Rahmen der politischen Bildung zusammenarbeiten. Wir sehen hier keinen Interpretationsspielraum, sondern den Zwang zur Zusammenarbeit.

Was kritisieren Sie an diesem Zwang?

Ein Problem ergibt sich aus der Gewissensfreiheit, da Schülerinnen und Schüler somit gezwungen sind, den Jugendoffizieren zuzuhören. Lehrkräfte in der politischen Bildung sind überdies angehalten, den Beutelsbacher Konsens mit seinem Kontroversitätsgebot zu beachten. Neben den Jugendoffizieren muss also eine entsprechende Gegenseite präsentiert werden, etwa durch den eigenen Unterricht oder Personen aus der Friedensbewegung. Das ist aber bereits gegenwärtig in der Praxis schwer umsetzbar, aufgrund enger Lehrpläne und dem begrenzten Personal Ehrenamtlicher in der Friedensbewegung.

Die Bundesregierung wurde darüber hinaus schon häufiger durch die Vereinten Nationen und die Kinderkommission des Bundestages ermahnt, die Militärwerbung bei Minderjährigen und deren Rekrutierung zu unterlassen. Ein Viertel der minderjährigen Rekrutinnen und Rekruten in Deutschland stammte in den letzten fünf Jahren aus Bayern. 13,9 Prozent der in Bayern Rekrutierten sind Minderjährige. Wenn die Militärwerbung nun verpflichtend wird, ist davon auszugehen, dass sich dieser Anteil noch erhöht.

Neben den Schulen ist auch die Hochschulbildung davon betroffen.

Hochschulen können sich selbst Zivilklauseln geben, womit sie sich einer rein zivilen Forschung verschreiben. An Bayerns Hochschulen gibt es bislang keine Zivilklausel, dennoch soll das mit dem Gesetz jetzt ausgeschlossen werden. In allen anderen Bundesländern sind Zivilklauseln möglich; in Bremen und Thüringen ist rein zivile Forschung sogar vorgeschrieben. Bayern nimmt hier wieder eine Einzelrolle ein und gefährdet unserer Ansicht nach damit die Wissenschaftsfreiheit.

Am Donnerstag gab es eine Verbändeanhörung im Landtag, bei der eine gemeinsame Petition von Gewerkschaften und Friedensbewegung vorgestellt wurde. Waren Sie erfolgreich?

Wir hatten innerhalb kürzester Zeit 1.500 Unterschriften gesammelt. Neben wissenschaftlichem Personal an Hochschulen, Professoren und Gewerkschaftern fanden sich auch einige prominente Namen bei den Unterstützern. Etwa der Arbeitsrechtler Wolfgang Däubler, Konstantin Wecker und der ehemalige Vorsitzende der IG Metall Jürgen Peters.

Ich durfte mit fünf Minuten Redezeit unsere Bedenken im Verfassungsausschuss vortragen. Das Ergebnis war insgesamt ernüchternd. Der Stoßrichtung der Petition hatten sich lediglich die Grünen angeschlossen und wollten die Petition berücksichtigen. Während sich die AfD enthielt, fand die SPD das Gesetz zwar belanglos, weil alles darin Angestrebte bereits selbstverständlich sei, aber dennoch in seiner Signalwirkung im Sinne der »Zeitenwende« unterstützungswürdig und stimmte zu. Die beiden Regierungsparteien CSU und Freie Wähler konnten wir mit unserer Kritik nicht überzeugen. Mit der Beschlussempfehlung zum Gesetz wurde die Petition vom Verfassungsausschuss als erledigt erklärt.

Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im bayerischen Landtag ist von einer Verabschiedung des Gesetzes auszugehen.

Es ist davon auszugehen, dass sich in der kommenden Woche die gleichen Mehrheiten bei der Verabschiedung des Gesetzes zeigen. Daher streben wir eine Klage vor dem bayerischen Verfassungsgerichtshof an. Das wird seine Zeit brauchen und das Gesetz nächste Woche nicht verhindern.

Bayern ist häufig ein Experimentierfeld innenpolitischer Gesetzgebungen. Sehen Sie die Gefahr, dass auch andere Bundesländer solche Gesetze erlassen?

Es war bei der CSU und den Freien Wählern schon das Ansinnen herauszuhören, als Freistaat zu signalisieren, dass man hinter der Bundeswehr steht. Insofern ist denkbar, dass der Wunsch besteht, andere Bundesländer sollen nachziehen.

Martina Borgendale ist Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Bayern

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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