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Aus: Ausgabe vom 13.07.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Gewerkschaft GMB bei Amazon

Historischer Wahlgang in Coventry

Beschäftigte von Amazon UK stimmen über gewerkschaftliche Vertretung ab
Von Dieter Reinisch
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Die Beschäftigten bei Amazon in Coventry kämpfen bereits seit mehr als zwei Jahren für bessere Arbeitsbedingungen

Schon die Wahl ist ein wichtiger Sieg. Bis diesen Sonnabend stimmen Arbeiter des größten britischen Lagers des US-Onlineriesen Amazon im mittelenglischen Coventry darüber ab, ob sie sich als Gewerkschaft organisieren und einen Betriebsrat wählen wollen. Vor zwei Jahren hatte eine Handvoll Arbeiter den Kampf für bessere Löhne begonnen, über tausend weitere schlossen sich an. Sie führten den ersten Streik in der Geschichte von Amazon UK an. Der Arbeitskampf wurde auf alle britischen Standorte des Onlineriesen ausgeweitet.

Um die gewerkschaftliche Organisierung aufzuhalten, hatte Amazon UK Unternehmensberater mit Erfahrung in der Unterminierung von Arbeiter- und Gewerkschaftsrechten aus den USA nach England geholt. Doch das Unternehmen scheiterte: »Von nun an entscheiden nicht mehr die Bosse von Amazon, ob es eine Gewerkschaft gibt, die anerkannt ist, sondern diese Woche entscheiden die Amazon-Arbeiter selbst, ob sie gewerkschaftlich organisiert sein wollen«, erklärte die Gewerkschaft GMB, die die Arbeitskämpfe bei Amazon UK von Beginn an unterstützt.

In Coventry hat es seit einem guten Jahr eine ganze Reihe von Streiks gegeben. Die Beschäftigten fordern einen Lohn von 15 Pfund Sterling (17,90 Euro) pro Stunde. Amazon habe mit schikanösen Methoden gearbeitet, berichteten Arbeiter. Im Warenlager seien QR-Codes angebracht worden, die beim Scannen eine E-Mail zum Kündigen der Gewerkschaftsmitgliedschaft an die GMB aufrief. Das Unternehmen habe das Einstiegsgehalt seit 2018 um 50 Prozent auf 12,30 Pfund Sterling (14,65 Euro) erhöht und biete ein positives Arbeitsumfeld, Zusatzleistungen und Karrieremöglichkeiten, hatte ein Amazon-Sprecher dem britischen Guardian erklärt.

Zum Beginn der Abstimmung im Verteilzentrum Coventry am vergangenen Montag fanden an allen Amazon-Standorten in Großbritannien Proteste statt. Demonstrationen im Norden und Süden Englands, in Wales und Schottland begleiteten den ersten Urnengang, der Amazon in Großbritannien zur Anerkennung einer Gewerkschaft zwingen soll. An einer separaten Kundgebung vor dem Hauptsitz des Onlinehändlers in London beteiligte sich die stellvertretende Generalsekretärin des britischen Gewerkschaftsverbands TUC, Kate Bell.

Erst der nationale Schiedsausschuss für die Schlichtung von Arbeitsstreitigkeiten der Regierung in London hatte das Votum der Beschäftigten durchsetzen können. In den drei Wochen vor der Wahl musste Amazon Gewerkschaftsvertretern Zugang zum Warenlager in Coventry gewähren, um den Wahlgang vorzubereiten – eine Niederlage für die Konzernführung, die Gewerkschaftern den Zutritt bis dahin verweigert und Arbeitern, die sich zu organisieren versuchten, sofort fristlos gekündigt hatte.

Sollten sich bei der Abstimmung die Interessen der Mehrheit der Beschäftigten durchsetzen, muss Amazon GMB als deren Vertretung anerkennen und künftig mit der Gewerkschaft über Löhne, Arbeitsbedingungen und Konditionen verhandeln. Das Abstimmungsergebnis soll am Montag veröffentlicht werden. Andy Prendergast, Generalsekretär der GMB, sagte bei Abstimmungsbeginn, die Arbeiter hätten sich zusammengefunden, weil Amazon ihnen »Hungerlöhne und unsicheren Bedingungen auferlegt hat«.

Im Arbeitskampf der vergangenen zwei Jahre seien Gewerkschaftsaktivisten und GMB-Mitglieder »schockierenden Einschüchterungen, Ängsten und Beschimpfungen durch die Chefs ausgesetzt« gewesen, weil »sie es wagten, zu kämpfen«, so Prendergast. Amazon habe jede Chance gehabt, das Richtige zu tun, aber keine genutzt: »Jetzt nehmen die Arbeiter die Dinge selbst in die Hand, um ihre Arbeitsbedingungen und ihre Löhne zu verbessern«.

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