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Aus: Ausgabe vom 15.07.2024, Seite 1 / Titel
Nahostkonflikt

Tod in »sicherer Zone«

Gazakrieg: Angriff Israels auf mutmaßliche Hamas-Anführer in Khan Junis kostet 90 Menschen das Leben
Von Karin Leukefeld, Beirut
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Angeblich wurden militärische Ziele in Khan Junis bombardiert (Mawasi-Lager, 13.7.2024)

Die israelische Armee hat erneut ein Lager palästinensischer Inlandsvertriebener bombardiert. Ziel war das Mawasi-Camp, das westlich der Stadt Khan Junis mehr als 80.000 Menschen beherbergt. Israel hatte es als »sichere Zone« ausgewiesen. Bei dem Angriff am Sonnabend wurden 90 Menschen getötet. Mehr als 300 Verletzte wurden in umliegende Krankenhäuser und Lazarette eingeliefert. Zeltunterkünfte, Fahrzeuge und eine Anlage zur Destillation von Wasser wurden zerstört. Der Chef der Weltgesundheitsorganisation, Tedros Adhanom Ghebreyesus, sagte, viele Menschen seien verschüttet.

Die Organisation »Medizinische Hilfe für Palästinenser« berichtete aus Al-Mawasi, die Menschen versuchten, mit bloßen Händen Leichen zu bergen, die unter Sand und Trümmern begraben seien. Die Krankenhäuser Nasser und Amal in Khan Junis und das Kuwaiti-Hospital in Rafah seien völlig überlastet. Alle 15 Minuten werde ein Toter zur Beerdigung aus dem Nasser-Krankenhaus getragen, so ein Helfer in der Klinik. Auch in der Nacht zu Sonntag setzte die israelische Armee Angriffe auf Notunterkünfte vertriebener Palästinenser in Gaza fort. Örtliche Behörden teilten am Sonntag mit, dass es allein in den vergangenen 24 Stunden 141 Tote gegeben habe.

International wurde der Angriff verurteilt. Der Noch-EU-Außenbeauftragte Josep Borrell forderte eine Untersuchung. Der stellvertretende Koordinator des UN-Palästinahilfswerks UNRWA, Scott Anderson, sagte, er habe im Nasser-Krankenhaus »einige der schrecklichsten Szenen erlebt, die ich in meinen neun Monaten in Gaza gesehen habe«. Weit mehr als 100 Schwerverletzte habe die Klinik aufgenommen, der es an allem fehle. »Wegen Strom- und Treibstoffmangels waren die Belüftungsanlagen abgeschaltet, und die Luft war von Blutgeruch erfüllt.«

Die israelische Armee gab an, Ziel des Angriffs auf Al-Mawasi seien hochrangige Hamas-Kommandeure gewesen, darunter Mohammed Deif. Das angegriffene Objekt habe sich zwar in einer »humanitären Zone« befunden, allerdings habe es sich um eine »abgezäunte, bewachte Hamas-Basis« gehandelt. Die Hamas wies die Angaben zurück. Der »Palästinensische Islamische Dschihad« warf Israel vor, falsche Behauptungen zu verbreiten, um »die Vernichtung unseres Volkes voranzutreiben«. Die Besatzungsmacht missachte alle internationalen Vereinbarungen. Laut Medienberichten erwägt die Hamas, die laufenden Verhandlungen mit Israel abzubrechen.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte, man sei sich »nicht völlig sicher«, ob die Hamas-Offiziellen getötet worden seien. Allerdings habe die Operation vom Sonnabend, unabhängig von ihrem Ausgang, dazu beigetragen, dem Ziel der Vernichtung der Hamas und der Befreiung der Geiseln näherzukommen. Medienberichten zufolge hatte Netanjahu den Angriff auf das Mawasi-Lager bewilligt, nachdem er »zufriedenstellende Informationen über Kollateralschäden und über die Art der eingesetzten Munition« erhalten habe. Bei dem Angriff mit Kampfjets und Kampfdrohnen wurden laut einem Bericht des Armeerundfunks acht JDAM-Bomben abgeworfen. »Joint Direct Action Munition« ist ein »Nachrüstsatz« des US-Rüstungskonzerns Boeing, der aus einer »ungelenkten« eine »präzisionsgelenkte« Bombe macht. So können die Bomben, die zusätzlich mit »künstlicher Intelligenz« und modernen Sensoren ausgerüstet sind, mit Laser und/oder GPS ins Ziel gelenkt werden.

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  • Leserbrief von Reinhold Schramm aus Berlin (15. Juli 2024 um 19:12 Uhr)
    Für ein Palästina gibt es keine Zukunft! Die Vorstellung einer Zweistaatenlösung hat sich mit dem 7. Oktober aufgelöst und beendet. Infolge des 7. Oktober 2023 hat es auch die Mehrheit der Millionen Palästinenser versäumt, die der Zukunft der Palästinenser feindliche Hamas und Hisbollah im hierfür notwendigen Bürgerkrieg gesellschaftspolitisch und damit auch militärisch zu liquidieren! Der Massenmord an der palästinensischen Zivilbevölkerung, seitens des israelischen Militärs, um sich der Hamas dauerhaft zu entledigen, ist die unausweichliche Folge. Zugleich aber keine Entschuldigung für die hierbei begangenen Verbrechen seitens der israelischen Militärs. Es ist ein seit 76 Jahren fortwährendes wechselseitiges politisches Versagen der beiderseitigen politischen Bündnispartner. Damit ist die Vorstellung von einer Zweistaatlichkeit und Eigenstaatlichkeit abschließend beendet. Aber auch ein gemeinsamer Staat im 21. Jh. ausgeschlossen! Hierfür gäbe es nur noch eine Zukunft auf dem Territorium der Golfmonarchien; was die bisherigen Finanziers, die Monarchisten und Prinzen ausschließen. Allenfalls eine Migration der Palästinenser nach Nordamerika und Westeuropa, einschließlich nach Deutschland.

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