75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Sa. / So., 07. / 8. September 2024, Nr. 209
Die junge Welt wird von 2927 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 15.07.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Staatsgewalt

»Instrument in Diensten der herrschenden Klasse«

Zu den Exzessen der griechischen Staatsmacht. Ein Gespräch mit Giannis Maggos, dem Vater des verstorbenen Vasilis
Von Alieren Renkliöz, Athen
A SCENE OF A TRIAL-MY WIFE AND OUR LOWYER.jpg
»Nein zur Vertuschung«: Vasilis Vater Giannis Maggos setzt sich gegen Polizeigewalt in Griechenland ein

Inwiefern ist die griechische Polizei für den Tod Ihres Sohnes verantwortlich?

Die Polizeibeamten sind verantwortlich, weil sie unser Kind mörderisch verprügelt haben. Vasilis wurde wegen seiner politischen Tätigkeit ins Visier genommen. Sie hielten seine Hände hinter seinem Rücken fest, und einer schlug ihm auf seine bereits gebrochenen Rippen. Sie weigerten sich, ihm Wasser zu geben, das er immer wieder verlangte, um die körperlichen und vor allem seelischen Qualen zu lindern, die er erleiden musste. Vasilis sagte ihnen mehrmals, dass er medizinische Hilfe benötige, aber sie ignorierten das und setzten die Folter fort. Dann warfen sie ihn auf die Straße, wo ihn vier Bürger fanden, die auch vor Gericht aussagen werden. Er wurde dann mit schweren Verletzungen in das Krankenhaus von Volos eingeliefert.

Wie ging es Vasilis im letzten Monat seines Lebens?

Infolge der exzessiven und langanhaltenden Polizeigewalt, die gegen ihn angewandt wurde, verschlechterte sich sein körperlicher und seelischer Gesundheitszustand in diesen Wochen massiv. Unser Kind besuchte fünf Tage vor seinem Tod das Zentrum für psychische Gesundheit in Volos. Das dort angefertigte Gutachten dokumentiert: »Er zeigt starke und anhaltende Angstzustände sowie depressive Episoden. Eine psychotherapeutische Unterstützung ist geplant.« Die Schläge und die Folter, die die Polizeibeamten unserem Kind zugefügt haben, zerbrachen ihn. Sie sind die Ursache für den Tod meines Sohnes.

Wie rechtfertigte die Polizei die Inhaftierung von Vasilis?

Die Polizei konnte die illegale Verlegung und Inhaftierung unseres Kindes nicht rechtfertigen, da Vasilis keine Straftat begangen hatte. Das beweist das Polizeivorfallbuch der Polizei vom 14. Juni 2020, in dem die Polizei dokumentiert, dass sie Vasilis ohne vorhandenen Straftatbestand festgenommen hatte. Darin heißt es, dass nichts gegen ihn vorlag, außer dass er zur (anarchistischen, jW) Bewegung gehörte.

Derzeit läuft der Prozess gegen sechs Beamte wegen gemeinschaftlicher Folter und illegaler Inhaftierung. Im Kontext der Gerichtsverfahren gegen die Polizei widerfuhr Ihnen ebenfalls Gewalt.

Im März 2023 terrorisierte die Polizeidirektion von Volos mich, meine Frau und unsere Anwältin, indem sie uns daran hinderte, die Räumlichkeiten des Gerichts zu betreten! Sie verprügelten mich direkt neben dem Ort, wo sie auch unser Kind auf mörderische Weise geschlagen hatten.

Warum wendet die griechische Polizei so brutale Mittel an?

Die Polizei ist ein Instrument der Unterdrückung in den Diensten der herrschenden Klasse: des Kapitals. Das müssen wir als Bürgerinnen und Bürger erkennen. Unsere Feinde werden versuchen, uns zum Schweigen zu bringen. Sie wollen uns unterwerfen, um die Profite des Kapitals zu sichern, und auch, um die Privilegien derjenigen zu erhalten, die dem Kapital dienen, nämlich der Regierung. Eines der wichtigsten Instrumente, die sie einsetzen, um diese Ziele zu erreichen, ist die Polizei. Die Gesellschaft muss reagieren. Wir müssen Widerstand leisten, wir dürfen nicht zulassen, dass diese Menschen uns unser Leben stehlen, das dürfen wir nicht akzeptieren. Unser Widerstand wird all jenen, die wie Vasilis ihr Leben für Freiheit und Gerechtigkeit gelassen haben, Sinn geben – damit wir alle frei sein können.

Giannis Maggos ist der Vater des verstorbenen Vasilis Maggos. Vor Gericht strebt er nach Gerechtigkeit für seinen Sohn. Er ist selbst aktiv in politischen Bewegungen.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Mehr aus: Schwerpunkt