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Aus: Ausgabe vom 15.07.2024, Seite 4 / Inland
Gerüchte aus Übersee

Zurück zur Vorratsdatenspeicherung

Nach angeblichem Anschlagsplan auf Rheinmetall-Chef: Union fordert mehr Geheimdienstkompetenzen
Von Kristian Stemmler
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Union wünscht sich mehr Überwachung durch deutsche Geheimdienste

Mehr Überwachung, mehr Befugnisse für die deutschen Geheimdienste: Der Union kommen die angeblichen russischen Pläne für ein Attentat auf Armin Papperger, Chef des Rüstungskonzerns Rheinmetall, offenbar wie gerufen. Bereits am Freitag hatte der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter die Gelegenheit genutzt, alte Unionsforderungen nach mehr Kompetenzen für die Geheimdienste aufzuwärmen. Am Wochenende legten Kiesewetters Parteifreunde, Armin Schuster und Herbert Reul, Innenminister Sachsens und Nordrhein-Westfalens, in einem gemeinsamen Interview im Boulevardblatt Bild nach – Überschrift: »Darf Putin bei uns ungestört morden lassen?« Vertreter der Ampelparteien wiesen den Vorstoß der Union zurück.

Schuster erklärte gegenüber Bild, er habe ein »massives Problem damit, dass wir permanent Informationen aus dem Ausland brauchen«. Die Sicherheitsbehörden anderer Länder verfügten über »die Instrumente, mit denen sie diese Erkenntnisse gewinnen, wofür ich hier in Deutschland keine politischen Mehrheiten finde«. Laut dem US-Sender CNN sollen Geheimdienste der USA Anfang des Jahres Pläne der russischen Regierung zur Ermordung Pappergers aufgedeckt haben. Belege wurden nicht vorgelegt.

Konkret forderte Schuster unter anderem erneut die Vorratsdatenspeicherung, also die anlasslose Speicherung von Standort- und Verkehrsdaten der Telekommunikation. Diese Methode ist mehrfach von höchsten deutschen Gerichten für rechtswidrig erklärt worden. Zum zweiten möchte der Minister den Diensten die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) erlauben. Dabei wird direkt auf Endgeräten, also etwa Smartphone und Laptops, auf Daten zugegriffen, um die Verschlüsselung zu umgehen. Dies seien die Instrumente, »weshalb die Amerikaner uns wertvolle Informationen geben können«, behauptete Schuster.

Schusters Amtskollege Reul bezeichnete es als »gefährlich«, dass den deutschen Sicherheitsbehörden bestimmte Überwachungsmethoden verboten sind. »Wir müssen vor die Lage kommen«, so der Minister. »Frühzeitige Informationen« seien der »Kernpunkt vom ganzen Geschäft«. Wichtige Informationen seien »heute nicht mehr auf der Straße zu kriegen oder indem man sich in der Kneipe rumtreibt, sondern im Netz«.

Bei den Ampelparteien stießen die Forderungen nicht auf Gegenliebe. So erklärte der FDP-Innenpolitiker Manuel Höferlin gegenüber dpa, »der reflexhafte Ruf nach alten und untauglichen Überwachungsinstrumenten wie der Vorratsdatenspeicherung« helfe nicht weiter, wenn man die Sicherheit stärken wolle. Gerade der Fall der angeblichen Anschlagspläne auf den Rheinmetall-Chef zeige, dass andere und gezieltere Erkenntnisse notwendig seien »als die anlasslose Speicherung aller Log-in-Daten aller Menschen in Deutschland«. Vielmehr zeige der Fall, wie wichtig die Zusammenarbeit von Nachrichtendiensten sei.

Auch Konstantin von Notz, Fraktionsvize von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, kritisierte den Vorstoß der Union. »Die Lage ist zu ernst, um parteipolitische Süppchen darauf zu kochen«, sagte er gegenüber dpa. Die pauschale These, in Deutschland gebe es »härtere Restriktionen als in anderen Rechtsstaaten«, sei irreführend, weil die Rechtslage und die höchstrichterliche Rechtsprechung deutlich differenzierter seien, so von Notz. Zutreffend sei dagegen, dass ein Land wie die USA »ein Vielfaches des Geldes ausgibt, was Deutschland in diesem Bereich investiert«.

Darauf verwies auch der SPD-Politiker Jens Zimmermann. Die Union solle zur Kenntnis nehmen, dass das Bundesverfassungsgericht klare Grenzen für die Arbeit der Nachrichtendienste gesetzt habe, sagte er dpa. Alle zuständigen Ressorts der Bundesregierung von Kanzleramt über Innenministerium bis zum Verteidigungsministerium seien 16 Jahre lang von CDU und CSU geführt worden. Diese hätten damit den jetzigen Zustand der Spionageabwehr maßgeblich mitzuverantworten.

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