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Aus: Ausgabe vom 16.07.2024, Seite 5 / Inland
Digitale Infrastruktur

Auf Weisung aus Washington

Schurkenstück mit Selbstverstümmelung: 5G-Ausbau ohne China. BRD-Regierung und Betreiber knicken ein
Von Klaus Fischer
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5G-Wahrzeichen in Düsseldorf: Rheinturm

Der Druck aus Washington war für seine Verbündeten zu stark: Bundesregierung und Betreiber der deutschen Mobilfunknetze haben sich nach langem Anlauf darauf geeinigt, chinesische 5G-Technologieanbieter vom hiesigen Markt zu vertreiben. Das heißt: Verträge werden gebrochen, Lieferanten ausgetauscht, der Ausbau verlangsamt sich, und auf die weltbeste Technologie, erhältlich zu günstigen Preisen, wird verzichtet. Bezahlt ja schließlich der Kunde.

Um sich vor privatrechtlichen Klagen und Strafzahlungen zu verstecken, spielt die Bundesregierung – hier angeführt von der SPD-Innenministerin – den Zampano und lanciert einen sogenannten öffentlich-rechtlichen Vertrag, wie Nancy Faeser vergangene Woche in Berlin ankündigte. Auf diese Weise soll vermieden werden, dass die 5G-Anbieter (in Deutschland sind das vor allen Konzerne wie Vodafone oder Telekom) haftbar gemacht werden und sie mehr Zeit für die Reparatur ihrer Pläne nach dem Staatseingriff bekommen. Außerdem sollen Teile, die von den beiden chinesischen Konzernen Huawei und ZTE bereits installiert worden sind, weiter genutzt werden dürfen. Man will wohl den Schaden für die ohnehin angespannten deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen etwas verringern.

Vorwand für den staatlichen Übergriff ist die Behauptung, es bestehe Gefahr für die Datensicherheit (und die des Staates), weil Unternehmen aus der Volksrepublik letztlich den Weisungen der KP Chinas unterworfen seien. Seit Jahren wird dies von den US-Diensten verbreitet – freilich ohne je einen minimalen Beweis für derartig finstere Machenschaften vorgelegt zu haben. Und es ist nicht der erste Anlauf, den Berlin startet, um den Wünschen der US-Strippenzieher nachzukommen.

Bereits vor sechs Jahren hatte Washington versucht, Huawei aus den von den USA kontrollierten Territorien zu vertreiben. Sogar die Tochter des Konzerngründers und Vorstandschefs Ren Zhengfei, Meng Wanzhou, ließ man in Kanada festnehmen. Die US-Justiz hatte ihr Bankbetrug vorgeworfen und verlangte die Auslieferung. Da das Rechtssystem in Kanada weniger regierungshörig ist als in den meisten mit den USA verbündeten Staaten, konnte die Auslieferung verhindert werden und Meng nach drei Jahren Haft freikommen.

2019 packte die damalige Bundesregierung die weitreichenden Pläne gegen Huawei und Co. in die Schublade. Zu offensichtlich schien das US-Bestreben, China in einen Wirtschaftskrieg zu verwickeln und zu problematisch wäre es gewesen, das 5G-Netz in der BRD wie versprochen auszubauen – worauf nicht zuletzt die Wirtschaft drängte. Zumal als Alternativen lediglich einige wenige Anbieter wie Ericsson und der vormalige Handyriese Nokia als Ersatz existierten – beide ebenfalls durch langfristige Verträge gebunden.

Es brauchte wohl erst die Ampelregierung und einen Wirtschaftsminister der Grünen, um das Schurkenstück erneut zu wagen. Denn trotz aller großen Worte ist absehbar, dass auch dieser politische Eingriff mehr Schaden als Nutzen bringen wird. Ihre »Resilienz« gegen solche Selbstverstümmelung hat die aktuelle Regierung ja bereits 2022 unter Beweis gestellt, als sie sich dem Wirtschaftskrieg gegen Russland bedingungslos angeschlossen hatte. Diese Politik soll anscheinend stur weitergeführt werden, wie zuletzt die Beschlüsse der NATO-Tagung vergangene Woche zeigten. Dort bekräftigten die Gefolgsleute Washingtons erneut ihre Bündnistreue und stimmten einer neuen Aufrüstungsvereinbarung und der Stationierung hyperschneller US-Trägerraketen in der BRD zu (jW berichtete).

Nicht einmal das Beispiel Großbritannien schreckt Berlin ab. Dort war Huawei bereits 2020 als Ausrüster vertrieben worden, wie dpa am Freitag berichtete. Im Februar 2024 zeigte demnach ein 5G-Benchmarking-Test des spanischen Unternehmens Medux, dass die Briten im internationalen Vergleich nur noch über ein schwaches 5G-Netz verfügten. In dem Vergleichstest lag Berlin vorn, gefolgt von Barcelona und Paris. London landete deutlich abgeschlagen auf dem letzten Platz des Metropolenrankings.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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  • Leserbrief von Peter Groß aus Bodenseekreis (16. Juli 2024 um 13:43 Uhr)
    Es fällt ewig US-Propaganda-Schokolade fürs Volk vom Himmel. (US-Flieger warfen im Rahmen der Luftbrücke kleine Fallschirm mit Schokoladetäfelchen ab.) Man glaubt der Lüge. Bündnis-90/Die-Grünen-Enkel haben, ebenso wie SPD-Enkel, Propagandalügen vom freien »Land der unbegrenzten Möglichkeiten« Amerika mit der Muttermilch, die sehr schnell durch Trockenmilchprodukte ersetzt wurde, aufgesaugt. Den Rest besorgten Schüleraustausch und Propagandastipendien in den USA. Nachdem nun der Handel und Wissenschaftsaustausch mit Russland praktisch verboten ist und die Boykottliste gegen China immer länger wird, bleibt die Frage, was kann Deutschland an wen, außer Waffen, exportieren. Panzer und Fahrzeuge an Länder, die keinen Zugang zu Satellitensysteme haben? An Drogenhändler und Despoten in Ländern, die man ehemals als Dritte Welt titulierte? Waffen und Überwachungstechnik für den Cyber-Krieg müssen heute schon von EU-Europa aus Israel oder den USA »ausgeliehen« werden. Zu gigantisch hohen Leasingraten. Der deutsche Steuersklave finanziert Waffensysteme, die ab 2030, ja eigentlich heute schon Alteisen, also für Hochtechnologieländer bedeutungslos sind. Panzerbataillone werden an Hochwasser- und Hitzeereignissen scheitern oder in grenznahen, russischen Atomminenfeldern verglühen. Drohnenschwärme werden EU-Soldatenleiber zerreißen, während Raketen schutzlose, europäische Hauptstädte attackieren. Wenn China keine Äpfel und gefrorene Tierleichen mehr importiert, werden Bauern aus Baden-Württemberg bald ihren Gülletank vor dem Reichstag entleeren und in Cem Özdemir, als vermuteten künftigen Landeslenker, den härtesten Stuttgarter Wutbürger von Baden-Württemberg identifizieren. Jugendliche in Stuttgart lernten seine Law and Orderambitionen mehrfach kennen. Die Grünen verloren fast 10 Prozent der Wählerschaft. Nur die Waffenbauer am See, fest im amerikanischen Eigentum, werden zukünftig den blutroten Teppich für Vertreter der Viererbande ausrollen und auf Exportzuwächse hoffen.
  • Leserbrief von Oliver Müller aus Zürich (16. Juli 2024 um 12:46 Uhr)
    Die Anzahl an so offensichtlichen Sicherheitslücken in Netzwerkausrüstung von Cisco und Juniper ist so hoch, dass so ziemlich jeder davon ausgeht, dass das Absicht ist, um US-Diensten Zugang zu gewähren. Und darüber habe ich die deutsche Regierung noch nicht klagen gehört. So ja auch beim Kanzler-Handy.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Bernhard K. aus Niestetal (16. Juli 2024 um 05:50 Uhr)
    Was wollen wir mit einem 5-G-Netz, wenn in Europa US-amerikanische Mittelstreckenraketen stationiert werden? Wenn Deutschland zum Aufmarschgebiet gegen Russland erklärt ist? Mit wem willst du noch telefonieren. Bei dem allen Frage ich mich allerdings, was ist mit den anderen europäischen Ländern? Von denen es doch heißt, dass sie in vielen Teilen ein besser funktionierendes Mobilfunknetz haben. Was für geniale Technologie benutzen diese? Schöne Grüße an die US-amerikanischen Stadthalter.

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