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Aus: Ausgabe vom 15.07.2024, Seite 7 / Ausland
Ostafrika

Dienlicher Despot

Ruanda: Bei Präsidentschaftswahlen steht prowestlicher Amtsinhaber Kagame schon vorab als Sieger fest
Von Christian Selz, Kapstadt
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Dürfte kaum zu schlagen sein: Ruandas wohl auch künftiger Präsident Kagame im Wahlkampf (Gahanga, 13.7.2024)

Kleines Quiz: Er regiert sein Land seit Jahrzehnten, ließ die Verfassung ändern, um an der Macht zu bleiben, befeuert einen Angriffskrieg im Nachbarland, und einige seiner Gegner sind unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommen. Wer ist gemeint? Richtig, Paul Kagame, Präsident Ruandas. Diesen Montag will der smarte Freund des Westens sich für weitere fünf Jahre an die Spitze des ostafrikanischen Staates wählen lassen. Beobachter gehen von einem ähnlichen Ergebnis wie bei der letzten Abstimmung 2017 aus, als Kagame knapp 99 Prozent der Stimmen auf sich vereinte.

Acht Kontrahenten wollten den ehemaligen Rebellenchef herausfordern, nur zwei von ihnen wurden zugelassen. Der Parteilose Philippe Mpayimana und der Grüne Frank Habineza hatten ihre Verlässlichkeit als Sparringspartner bereits 2017 nachweisen können, als sie 0,72 respektive 0,45 Prozent der Stimmen holten. Beide sind in Ruanda kaum bekannt, was auch daran liegen dürfte, dass die Regierung die Medien kontrolliert. Der Rest der Herausforderer wurde aufgrund von Formfehlern oder vorherigen Verurteilungen von der Wahl ausgeschlossen. Für ruandische Verhältnisse darf dies noch als relativ milder Weg gewertet werden, denn in der Vergangenheit waren Kagames Geheimdiensten immer wieder politische Morde vorgeworfen worden, auch im südafrikanischen Exil. Die Beziehungen zu Pretoria hat das zeitweise belastet. Mitte Mai dieses Jahres verweigerte Ruanda zudem einer hochrangigen Rechercheurin der Organisation Human Rights Watch, die einen Bericht über die Verfolgung von Dissidenten verfasst hatte, die Einreise. Die Regierung in Kigali streitet aber selbstredend jede Beteiligung an den Tötungen ab.

Die Verfahrensweise des stumpfen Dementierens hat sich für Kagame auch mit Blick auf den Krieg in der benachbarten Demokratischen Republik Kongo bewährt. Dort haben zwei Expertenkommissionen der UNO nachgewiesen, dass Ruandas Militär die Miliz M 23 aktiv unterstützt hat, logistisch und mit Waffen. Der M 23 werden schwere Menschenrechtsvergehen zur Last gelegt. Am vergangenen Montag veröffentlichte die dem UN-Sicherheitsrat unterstehende Expertengruppe einen weiteren Bericht, in dem sie Kigali vorwirft, dass 3.000 bis 4.000 ruandische Soldaten an der Seite der M 23 im Ostkongo gekämpft hätten. »Durch seine De-facto-Kontrolle und Weisungsgewalt über M-23-Operationen ist Ruanda für die Handlungen der M 23 verantwortlich«, heißt es in dem Papier.

Kigali streitet die Vorwürfe ab, seit Jahren. Negative Konsequenzen hatte das bisher nicht, wohl aber den Vorteil, dass Ruanda so an Friedensverhandlungen nicht teilnehmen muss, deren Fortschreiten effektiv behindern kann und seine Günstlinge in der Folge weiterhin die reichen Rohstoffvorkommen in den von ihnen kontrollierten Gebieten im Ostkongo ausplündern können. Wer über seltene Erden verfügt und sie bereitwillig an Industrieländer weiterreicht, muss sich um die Zahl seiner mächtigen Freunde auf dem Globus keine Sorgen machen.

Kagame sitzt deshalb fest im Sattel und hilft weiter mit Gefälligkeitsdiensten nach. 2021 entsandte er 2.500 Soldaten nach Mosambik, um im Norden des Landes einen von Islamisten dominierten Aufstand zu bekämpfen. Engere Verbindungen zu dem südostafrikanischen Staat hatte Ruanda zwar zuvor nicht unterhalten, doch kurz vor der Truppenentsendung war der französische Präsident Emmanuel Macron in Kigali vorstellig geworden. Die ruandischen Soldaten schützen nun vor allem die Anlagen des französischen Öl- und Gaskonzerns Total in Mosambik. Auch ein Hilfsgesuch aus London, dessen inzwischen abgewählte Regierung sich asylsuchender Menschen entledigen wollte, beantwortete Kagame 2023 wohlwollend mit einem Abkommen zur Unterbringung der Geflüchteten in ruandischen Lagern. Dazu soll es nun zwar doch nicht kommen, weil die neue Labour-Regierung das Projekt nicht weiterverfolgen will. Doch dafür mehren sich inzwischen in Deutschland die Stimmen von Interessenten, die Kagames Ruanda offensichtlich für menschenrechtsfreundlich genug halten, um Geflüchtete dort einzukerkern. An politischer Stabilität vor Ort, das wird sich diesen Montag zeigen, dürfte es zumindest nicht mangeln.

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