75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Montag, 26. August 2024, Nr. 198
Die junge Welt wird von 2900 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 15.07.2024, Seite 8 / Ansichten

Heimatfront schließen

Detailplanungen für Krieg
Von Arnold Schölzel
Tomahawk_Raketen_82735346.jpg

Nach dem Anti-Russland-China-Gipfel der NATO ging kurz in der Bürgerpresse ein Gespenst um: Kommt die Friedensbewegung der 80er Jahre wieder? Der in Washington verkündete Beschluss, ab 2026 hierzulande bis weit ins russische Hinterland reichende Waffen zu stationieren, hatte dasselbe Motiv wie die vor 45 Jahren angezettelte NATO-»Nachrüstung« gegen die Sowjetunion: Die Fähigkeit erlangen, ungestraft einen Erstschlag gegen die politische und militärische Führung in Moskau zu führen. Die Empörung, die vor mehr als 40 Jahren große Teile der Bevölkerung Westeuropas und der Bundesrepublik ergriff, ist offenbar noch im Gedächtnis der heutigen Strategen des Westens. Es liegt ja auch auf der Hand und Moskau bestätigte es inzwischen: Wer eine Bedrohung solcher Art für Russland installiert, wird zur Zielscheibe. Kein Zufall, dass die Stationierung erst nach den nächsten Bundestagswahlen beginnen soll. Der »Friedenskanzler« im Wahlkampf mit bereits installierten Marschflugkörpern und Hyperschallwaffen – das war wohl doch zuviel.

Die Nervosität beim regierenden Personal in Berlin und in den angeschlossenen Redaktionen ist jedenfalls groß. Zudem antwortete Scholz auf die Frage, ob er mit größerem Widerstand der Bevölkerung und gar aus der eigenen Partei bei der Rückkehr weitreichender Waffen rechne, mit Bidenschem Geistesblitz: »Diese Entscheidung ist lange vorbereitet und für alle, die sich mit Sicherheits- und Friedenspolitik beschäftigen, keine wirkliche Überraschung.« Die Stationierungsankündigung kam also nicht aus heiterem Himmel, sie war ebenso »lange vorbereitet« wie die »Zeitenwende«-Erklärung von 2022. Das dürfte die Gemüter so besänftigen wie Selenskijs Begrüßung durch Biden als »President Putin«.

Fest steht: Ein Feind wird gebraucht – das verlangen die Dauerkrisen von Staat und Gesellschaft, die Wut in der Wählerschaft, die Rüstungskonzerne und die Hurraschreier des neusten deutschen Bellizismus mit Bündnis 90/Die Grünen und ihrem antideutschen Wurmfortsatz an der Spitze bis zu deren Lautsprechern Bild, FAZ, Spiegel und ARD/ZDF. Die Heimatfront ist wacklig, die Massen in keiner Weise kriegstüchtig, am Feindbild ist noch allerhand zu pinseln.

Wie passend, dass ab Freitag wieder genug Farbe auf die Palette kam: Aus einem von Geheimdiensten mitgeteilten Anschlagsversuch auf den Rheinmetallchef wurde flugs eine Tatsache und Teil des »hybriden Krieges« (CDU-Kriegsmoraltrompeter Roderich Kiesewetter), den »der Russe« in allen Sphären gegen den Westen führt. Am Sonntag wurde bereits zurückgeschlagen: Die Wochenendpresse stimmte die Untertanen darauf ein, dass demnächst Autobahnen und Häfen nur noch für Truppentransporte zur Verfügung stehen und irgendwo schon mal Kriegsgefangenenlager eingerichtet werden. Die Botschaft lautet: Gewöhnt euch schon mal dran. »Wir« machen weiter bis zum »Sieg«.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Peter Groß aus Bodenseekreis (15. Juli 2024 um 10:47 Uhr)
    Der Schreck saß tief. Auch beim Rheinmetall-Boss. Es scheint, dass Russland über ebensolche Drohnen oder internetgestützte Raketentechnik verfügt wie Israel oder die USA. Mit deren Hilfe kann man zielgerichtet Motorradfahrer, im Pool plantschende Millionäre oder auf dem Meer (in internationalen Gewässern) mäandernden Finanzhaien das Lebenslicht ausblasen. Es ist schwer, der Bevölkerung zu vermitteln, dass so ein »Nadelstich« den Bündnisfall rechtfertigt. Beispiel: USA oder die Ukraine greifen ein Fernziel, über eine deutsche Leitstelle, in Russland an. Das findet vermutlich täglich statt und war erfolgreich im Kampf gegen Bin Laden. Ich weiß nicht, wie viele Anschläge und Morde US-amerikanische, israelische, möglicherweise auch deutsche, russische oder tschetschenische Elitesoldaten vollendet haben. Die Attentäter von München, iranische Atomtechniker, Politiker, Generale. Der Tod kam mit Drohnen, Sprengstoff, Todesschuss oder Gift. Bekanntestes Opfer war wohl Palästinenserführer Arafat. Europa beherbergt derzeit 50 weltweite Vereinigungen der Organisierten Kriminalität, die insgesamt 100 Milliarden Schwarzgeld jährlich, allein in Deutschland, waschen. Einkommensquellen sind von Drogenhandel, Enkeltrick, Schutzgelderpressung alle Spielarten bis Zwangsprostitution oder Auftragsmord. Die Kripo ist ebenso besorgt über die neue Dimension der Gewalt, wie der NRW-Minister Reul. Um »ihr« Rauschgift, das vermutlich von einer anderen Bande entwendet wurde, zurückzuholen, »wandten die mutmaßlichen niederländischen Täter teils brutale Methoden an, zum Beispiel Freiheitsberaubung, Bedrohung, Sprengstoffanschläge und schließlich die Entführung«, so ein Polizeisprecher. Wenn Russland, die Ukraine oder sonstige meuchelnde Staaten Schwerstverbrecher für Kriegseinsätze aus der Haft entlassen, muss man damit rechnen, dass die hybride Kriegsführung gegen Europa ohne dritten Weltbrand erfolgreich ist. Nancy Faeser hat, wie sie immer betont, nicht einmal genug Personal für den Grenzschutz.

Ähnliche:

Regio:

Mehr aus: Ansichten