75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Mittwoch, 21. August 2024, Nr. 194
Die junge Welt wird von 2900 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 16.07.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Naher Osten

Ungeklärte Fragen

Syrien verlangt Abzug der Türkei, Ankara will Geflüchtete zurückschicken
Von Karin Leukefeld, Beirut
Syria_Turkey_Rapproc_82742494.jpg
Wärmen am offenen Feuer: Syrische Geflüchtete im türkischen Gaziantep (11.2.2024)

Der syrische Präsident Assad war unbestätigten Berichten zufolge beim Gipfeltreffen der Arabischen Liga in Manama Mitte Mai ermuntert worden, eine Lösung mit der Türkei zu finden. Sein türkischer Amtskollege Recep Tayyip Erdoğan wiederum war von Russland und dem Iran wiederholt aufgefordert worden, die Annäherung an Syrien voranzutreiben.

Für das NATO-Mitglied Türkei sind vor allem Sicherheitsgarantien und wirtschaftliche Vereinbarungen wichtig. Für Syrien dürfte neben der staatlichen Souveränität und der Kontrolle über die eigenen Ressourcen und Grenzen auch die Frage der Wiedergutmachung für die Schäden wichtig sein, die besonders im industriellen Sektor in und um Aleppo durch von der Türkei und anderen Staaten unterstützte bewaffnete Gruppen verursacht wurden. Unterstützung braucht Syrien auch bei der Wiedereingliederung syrischer Flüchtlinge, die aus Jordanien, Libanon und der Türkei zurückkehren sollen.

Im Gegenzug für Unterstützung, die unter anderem von den arabischen Golfstaaten kommen könnte, fordern diese politische Reformen in Syrien. Unklar ist, ob es diesbezüglich mögliche Absprachen mit westlichen und EU-Staaten und mit den USA gibt. Sowohl die USA als auch die EU haben einseitige wirtschaftliche und finanzielle Strafmaßnahmen gegen Syrien verhängt, die auch andere Staaten treffen könnten, die mit Syrien kooperieren wollen.

Das syrische Außenministerium erklärte vergangenes Wochenende, eine »Wiederaufnahme normaler Beziehungen« mit der Türkei setze eine »Wiederherstellung der Situation von vor 2011« voraus. Das sei die »Basis für Sicherheit und Stabilität der beiden Länder«. Syrien habe immer eine »klare Unterscheidung zwischen den Völkern einerseits und der Politik und dem Vorgehen von Regierungen andererseits« gemacht, »die Syrien und ihren eigenen Ländern geschadet haben«, hieß es in der Erklärung. Die Türkei müsse ihre Truppen von syrischem Territorium abziehen.

Dass Damaskus bereit für innersyrische Veränderungen ist, zeigte sich kürzlich in der Ankündigung des Verteidigungsministeriums, die syrischen Streitkräfte langfristig zu modernisieren. In einem ersten Schritt sollen Soldaten und Offiziere, die während des Krieges auf unbestimmte Zeit dienen mussten, bis Ende des Jahres nach Hause geschickt werden. Die überfällige Entscheidung war von der syrischen Bevölkerung seit langem gefordert worden. Viele junge Männer hatten Syrien während der Kriegsjahre verlassen, weil sie keinen Wehrdienst leisten wollten. Diejenigen, die in Syrien geblieben waren und deren Dienstzeit immer weiter verlängert wurde, fehlen auf dem syrischen Arbeitsmarkt, auch um mit ihrer Arbeit ihre Familien wieder ernähren zu können.

Nach Angaben eines Sprechers der oppositionellen türkischen kemalistischen Partei CHP wird der Vorsitzende Özgür Özel demnächst zu einem Treffen mit Assad nach Damaskus reisen. Özel hatte sich als Vermittler für eine Annäherung zwischen Erdoğan und Assad angeboten. Bei dem Besuch dürfte es aber nicht zuletzt um eine Rückkehr von Millionen syrischen Flüchtlingen aus der Türkei gehen.

Die Türkei »streckt ihre Hand in Freundschaft zu Syrien aus«, sagte Erdoğan Anfang Juli. Zu Beginn des Syrien-Krieges 2011/12 hatte er ganz andere Töne von sich gegeben und – mit Hilfe arabischer Golfstaaten, der USA und anderer NATO-Länder – die Aufständischen in Syrien bewaffnet. Syriens Infrastruktur sei zerstört, und die Bevölkerung sei in alle Richtungen zerstreut. Die entstandene Instabilität müsse beendet werden, so Erdoğan. Nun wehe in Syrien ein »Friedenswind«, und die »Atmosphäre des Friedens« sei notwendig, damit »die Millionen von Menschen, die in vielen Ländern verstreut sind, in ihre Heimat zurückkehren können«.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

  • Interessenallianz: US-Spezialkräfte mit einem Kämpfer der Volksv...
    14.07.2017

    Washingtons Bodentruppen

    Wie die kurdischen Volksverteidigungskräfte in die von den USA gestellte Falle getappt sind
  • Da war die Welt noch in Ordnung: Russlands Präsident Putin und s...
    27.11.2015

    Ankaras Fehlkalkulation

    Abschuss des Su-24-Kampfjets macht Annäherung zwischen Russland und der Türkei zunichte. NATO-Mitglieder gehen auf Distanz zu Erdogans Konfrontationskurs.
  • Selbstbestimmung und Demokratie gegen die Unterdrückung durch de...
    11.08.2015

    Stifter des Chaos

    Die Türkei führt Krieg gegen die Kurden, unterstützt den »Islamischen Staat« und verfolgt zusammen mit den USA das Ziel, die syrische Regierung zu stürzen – imperialistische Strategien auf einem Kriegsschauplatz mit unklaren Fronten

Mehr aus: Schwerpunkt