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Aus: Ausgabe vom 16.07.2024, Seite 4 / Inland
Keine Rendite mit der Miete

Wunschtraum bezahlbares Wohnen

Rosa-Luxemburg-Stiftung: Ökonomisches Bewirtschaften mit 5,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter möglich. Vergleich mit Wiener Gemeindebauwesen
Von Annuschka Eckhardt
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Mietendemo: Tausende Berliner demonstrieren für bezahlbaren Wohnraum (Berlin, 1.6.2024)

Was für ein verlockendes Angebot: »Hallo liebe Zimmer-Suchende, in meiner super gelegenen Wohnung, direkt im Grünen und trotzdem perfekt ans pulsierende Stadtleben angebunden, wird 1 Zimmer ab dem 1.8.2024 frei«, heißt es über eine Bleibe in Berlin-Neukölln auf dem Portal »WG-Gesucht«. Dazu ein paar Fotos von dem grau gestrichenen Raum mit Dachschrägen. Der Preis: 650 Euro inklusive Nebenkosten für 15 Quadratmeter. Fraglich nur, wer sich das leisten kann.

Am Montag hat die Linke-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung ihre Studie »Keine Profite mit der Miete – Strategien für eine bestandssichernde, nachhaltige und soziale Bewirtschaftung großer Wohnungsbestände« vorgelegt. Die Autoren Andrej Holm, Sebastian Gerhardt, David Scheller und Itziar Gastaminza Vacas untersuchten dafür, wie Wohnungsunternehmen eine soziale Bewirtschaftung organisieren können und welche Kosten damit verbunden sind. Das Ergebnis ist klar: Die Mieten sind höher als nötig. Mit knapp 5,50 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter könnten die Wohnungen wirtschaftlich und nachhaltig bewirtschaftet werden.

In den großen Wohnungsbeständen könnten demnach Menschen mit durchschnittlichen oder geringen Einkommen bezahlbare Mieten angeboten werden – und das ohne weitere Subventionen. Die Autoren haben auf einer breiteren Datenbasis aktuelle Kostenmieten für verschiedene Wohnungsbestände untersucht. Dabei wurde deutlich, dass die Kostenmiete zu einem deutlich niedrigeren Mietniveau führt als die Marktmiete. Von wegen der Markt regelt: »Für die aktuelle Diskussion in Berlin bedeutet das auch ganz konkret: Eine Vergesellschaftung großer Wohnungsbestände mit dem Ziel, die Wohnungen nach Kostenmieten zu bewirtschaften, könnte die Mietpreisspirale stoppen«, heißt es in der Mitteilung zur Studie.

Diese hat die Organisations- und Arbeitsstrukturen öffentlicher und genossenschaftlicher Wohnungsunternehmen untersucht. Dafür wurden Geschäftsdaten der Landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) in Berlin (ca. 360.000 Wohnungen), ausgewählter Genossenschaften (WBG) mit größeren Wohnungsbeständen in Berlin (ca. 30.000 Wohnungen) sowie des kommunalen Unternehmens Wiener Wohnen, das rund 210.000 Gemeindewohnungen in der österreichischen Hauptstadt bewirtschaftet, ausgewertet.

Ein Vergleich der Kostenstrukturen zeigt deutliche Unterschiede zwischen den öffentlichen und den genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen. Bei den untersuchten Genossenschaften machen die Ausgaben für Instandsetzung rund 30 Prozent der Gesamtausgaben aus – bei den öffentlichen Wohnungsunternehmen sind es mit 18 Prozent (LWU) und 20 Prozent (Wiener Wohnen) deutlich geringere Anteile. Gesellschaftliche Aufgaben wie der Neubau und die dringend notwendige energetische Sanierung können nicht allein aus Mieteinnahmen finanziert werden.

»Das ist vor allem dann eine wichtige Frage, wenn ich regelmäßige Mieterhöhungen bekomme, aber gleichzeitig sichtbare Instandhaltungsmängel wie Fahrstuhlausfälle oder schlechte Erreichbarkeit des Wohnungsunternehmens erleben muss«, sagte Ulrike Hamann-Onnertz, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins am Montag gegenüber junge Welt. »Berlin wälzt seine ehrgeizigen Neubaupläne auf die Mieter der Landeseigenen Wohnungsunternehmen ab«, sagte Hamann-Onnertz.

Doch die Orientierung am Markt, die sowohl bei privaten Vermietern, als auch im Mietrecht gängige Praxis ist, führt zu horrenden Mieten. Laut dem Portal Immoscout betrug die durchschnittliche Kaltmiete in Berlin im zweiten Quartal dieses Jahres 11,85 Euro pro Quadratmeter. Im Vergleich zum vorherigen Quartal ist dies ein Anstieg um 0,13 Euro pro Quadratmeter. Die durchschnittliche Miete in Berlin liegt somit über dem deutschen Durchschnitt von 8,48 Euro pro Quadratmeter im selben Zeitraum.

»Die Studie belegt zum wiederholten Mal, dass sich die Entwicklung der Mieten im Bestand weitgehend von den realen Bewirtschaftungskosten entkoppelt hat. Ziel einer sozialen Wohnungspolitik muss es sein, bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen«, sagte Rainer Balcerowiak, Redakteur des MieterEcho der Berliner Mietergemeinschaft am Montag gegenüber junge Welt. Dazu müsse der Wohnungsmarkt den Verwertungsinteressen privater Investoren entzogen werden, sowohl durch »rigorose Mietpreisbegrenzungen, als auch durch kommunalen Wohnungsbau«.

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