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Aus: Ausgabe vom 16.07.2024, Seite 4 / Inland
Ermittlungen nach »Tag der Ehre«

Kampf gegen nächste Auslieferung

Bayern: Anwalt und Umfeld von Nazigegnerin Hanna S. befürchten Überstellung an ungarische Justiz
Von Hendrik Pachinger, Nürnberg
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Solidaritätskundgebung vor der Justizvollzugsanstalt Nürnberg (10.5.2024)

Der nächsten Nazigegnerin droht Auslieferung nach Ungarn. Hanna S. soll an die dortige Justiz überstellt werden, wo ihr wegen mutmaßlicher Beteiligung an einem Angriff auf Teilnehmende eines europaweiten Neonazievents der Prozess gemacht werden soll, wie der BR am Montag berichtete. »Für Hanna S. liegt derzeit kein Auslieferungsersuchen Ungarns vor«, erklärte ihr Anwalt, Yunus Ziyal, am Montag gegenüber junge Welt. S. sitzt derzeit in Nürnberg in Untersuchungshaft. Wegen ähnlicher Vorwürfe wie im Fall Maja T. stehe zu befürchten, »dass im Fall eines Ersuchens Ungarns deutsche Ermittlungsbehörden ebenso vorgehen«.

Maja T. aus Jena wird ebenfalls vorgeworfen, an dem Angriff auf Personen, die am »Tag der Ehre« in Budapest 2023 teilnahmen, beteiligt gewesen zu sein. Damals waren neun Teilnehmende an der Veranstaltung zum Gedenken an SS-Angehörige sowie ungarische Kollaborateure, die im Zweiten Weltkrieg von der Roten Armee belagert worden waren, körperlich angegriffen und teilweise schwer verletzt worden. Am 28. Juni war Maja T. innerhalb weniger Stunden aus einer Zelle der JVA Dresden geholt und an die deutsch-österreichische Grenze verbracht worden. Bevor Anwälte dies per Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht stoppen lassen konnten, war T. bereits den ungarischen Behörden übergeben worden. Doch Karlsruhe ordnete die Rückholung an, damit über den Eilantrag entschieden werden kann.

In Ungarn drohen menschenrechtswidrige Haftbedingungen sowie ein unfaires Verfahren. Das stellten zumindest Juristinnen und Juristen wie auch internationale Nichtregierungsorganisationen fest. »Ungarn ist eine Autokratie, in der demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien abgebaut wurden«, sagte Anwalt Ziyal auf jW-Anfrage. Das ungarische Justizsystem entspreche nicht »den rechtsstaatlichen Standards«, hatte der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) zum Fall Maja T. mitgeteilt.

Einer möglichen Abschiebung von Hanna S. wollen örtlich aktive Antifaschisten deshalb nicht tatenlos zusehen. Seit Wochen reißt die Kette von Veranstaltungen, Demonstrationen und Aktionen für die bedrängte Antifaschistin nicht ab. Für den bevorstehenden Donnerstag ist um 18 Uhr eine Demonstration an der JVA Nürnberg geplant. »Auch wenn derzeit noch kein Auslieferungsantrag vorliegt, besteht dennoch kein Grund zur Entwarnung«, sagte Rebecca Hübner, Sprecherin der Nürnberger Ortsgruppe der Solidaritätsorganisation Rote Hilfe e. V., auf jW-Anfrage am Montag. Die Ortsgruppe ist ebenfalls an den lokalen Solidaritätszusammenschlüssen beteiligt. »Wir konnten im Fall von Maja T. sehen, wie schnell die Räder der Behörden in Bewegung gesetzt werden können«, sagte Hübner. Gemeinsam werde man den »Kampf gegen Hannas Auslieferung an die ungarische Klassenjustiz« weiterführen, erklärte Hübner – »bis final feststeht: Hanna bleibt hier.«

Diese befindet sich seit Anfang Mai in Nürnberg in Haft. Am Tag ihrer Festnahme war in den Morgenstunden ihre Wohnung durchsucht und sie anschließend einem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe vorgeführt worden.

Ungarn beantragte fast ein Dutzend Europäische Haftbefehle allein für Nazigegner aus der BRD. Viele der Beschuldigten haben sich einer Verhaftung entzogen. Ilaria S. aus Italien konnte mittlerweile die ungarische Haft wieder verlassen, da sie bei der Wahl zum EU-Parlament vom 9. Juni ein Mandat für die italienische »Alleanza Verdi e Sinistra« (Allianz Grün und Links) erringen konnte. Dadurch genießt sie parlamentarische Immunität.

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