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Aus: Ausgabe vom 15.07.2024, Seite 5 / Inland
Maritime Wirtschaft

Verqueres Angebot der Seehäfen

Hafenverband gibt Optionen vor. Kampfstimmung durch Votum aufgeweicht
Von Burkhard Ilschner
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Die Abstimmung zum Angebot der Seehäfen verlangt den kämpferischen Hafenbeschäftigten nun bis Ende August ordentlich Puste ab

Das vorläufige Ergebnis der aktuellen Tarifverhandlungen für die deutschen Nordseehäfen verdient das Prädikat »skurril«. Denn neben allen Unklarheiten bedeutet es vor allem eine mehrwöchige Verzögerung – die Runde ist also vorerst nicht beendet. Ende vergangener Woche hatten sich in Bremen, begleitet von Warnstreiks in allen betroffenen Häfen, die Gewerkschaft Verdi und der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) zur vierten Verhandlungsrunde getroffen.

Wie der ZDS am Wochenende in einer Pressemitteilung bekanntgab, hat der Verband nach zwei Tagen »intensiver Verhandlungen« der Gewerkschaft »ein finales Angebot« vorgelegt. Es beinhalte »zwei alternative Optionen mit unterschiedlichen Laufzeiten mit jeweils einer deutlichen Reallohnsteigerung«, so der ZDS weiter. Die zeitgleich veröffentlichte Verdi-Pressemitteilung bestätigt das im Kern und kündigte »nun eine Befragung der Mitglieder zur Bewertung des Angebots« an. Gleichzeitig wird Verdi-Verhandlungsführerin Maren Ulbrich mit den deutlichen Worten zitiert, das Angebot bleibe hinter den Erwartungen von Gewerkschaft und Beschäftigten zurück.

Beide ZDS-Optionen unterscheiden sich vor allem in den vorgeschlagenen Laufzeiten, gefolgt von einer etwas komplizierten Staffelung. So soll die erste Angebotsoption rückwirkend ab 1. Juni dieses Jahres für zwölf Monate gelten. Für die Zeit bis Ende des Jahres 2024 bietet der ZDS eine Einmalzahlung von pauschalen 1.000 Euro für alle, die als sogenannte Inflationsausgleichsprämie steuer- und abgabenfrei wäre. In den verbleibenden fünf Monaten bis Ende Mai 2025 sollen die Stundenlöhne um 0,95 Euro erhöht werden. Das zweite Angebot soll, ebenfalls rückwirkend ab 1. Juni, vier Monate länger als das andere, bis Ende September 2025, gelten. Doch auch hier soll es in 2024 nur eine pauschale Einmalzahlung von allerdings 1.400 Euro geben – sowie für die dann verbleibenden neun Monate in 2025 eine Stundenlohnerhöhung um 1,15 Euro.

Beide Optionen beinhalten zudem gestaffelte Erhöhungen der Zuschläge für Spät-, Nacht- und Wochenendschichten, jedoch wird auch hier nach Laufzeit unterschieden. Falls Verdi unter Verzicht auf die 12-Monats-Forderung einer Vertragsdauer von 16 Monaten zustimmt, erhöhen sich die jeweils angebotenen Zuschlagssteigerungen um je rund 33,3 Prozent.

Allerdings hätten die Hafenbeschäftigten dabei eine dicke Kröte zu schlucken: Während der ZDS in seinen ersten, von Verdi abgelehnten Angeboten eine Zulagenerhöhung rückwirkend ab Juni angeboten hatte, soll es diese Aufstockungen in beiden Optionen jetzt erst ab 1. Januar 2025 geben. Zudem sollen die bisherigen Pauschalen nach Betriebskategorie neu geregelt werden, was derzeit noch unberücksichtigte Beschäftigte begünstigen, für diejenigen der oberen Kategorie aber Einbußen bedeuten dürfte.

Verdi hatte eine Stundenlohnerhöhung um drei Euro über eine Laufzeit von zwölf Monaten ab 1. Juni 2024 gefordert, um vor allem untere Lohngruppen zu begünstigen und bisherigen Reallohnverlust auszugleichen. Zudem sollte die verlangte Schichtzulagenerhöhung auch deren 2022 unterlassene Anhebung berücksichtigen. Inwieweit die aktuellen ZDS-Angebotsoptionen dem entgegenkommen, müssen die Tarifexperten prüfen – die eingangs zitierte verhaltene Reaktion der Gewerkschaft legt da aber Skepsis nahe.

Die Gewerkschaft plant nun eine offenbar rund vier Wochen dauernde Mitgliederbefragung. Der Mitteilung von Verdi zufolge wird die Bundestarifkommission (BTK) erst Mitte August anhand der Rückmeldungen der Mitglieder über das weitere Vorgehen entscheiden. Unklar bleibt aber vorerst, ob das Ergebnis der Befragung für die BTK bindend sein wird. Zum anderen stutzen manche über die ZDS-Formulierung eines »finalen« Angebots: Was also, wenn Verdi ablehnt?

Verhandlungsführer des ZDS ist laut Verbandsmitteilung HHLA-Arbeitsdirektor Torben Seebold. Noch 2018 leitete er die Tarifverhandlung als damaliger Bundesfachgruppenleiter Maritime Wirtschaft von Verdi, wechselte dann aber die Seite: Apropos »skurril«.

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  • Leserbrief von Klaus Mewes aus Ahrensburg (22. Juli 2024 um 17:03 Uhr)
    Sehr geehrter Herr Ilschner, ich möchte mich für eine genaue und sachliche Darstellung des Zusammenspieles der Gewerkschaft Ver.di und dem Unternehmen HHLA bedanken. Der dortige Verhandlungspartner ist Ex-Ver.di-Vertreter für die Schifffahrt und die Häfen, nun ist er seit ein paar Jahren auf seiner »richtigen« Seite angekommen, dort, wo Geld verdient wird. Er macht jetzt genau das Gegenteil, was er vorher vorgab, gemacht zu haben, nämlich die Arbeitnehmerseite vertrauensvoll zu vertreten, sich für sie einzusetzen. Ex-Gewerkschaftsmitglieder finden in unserem System immer wieder Netzwerke, mit denen es sich gute Absprachen treffen lassen. Die SPD bietet häufig Unterschlupf für solche Kompetenzen, nennt sich alles »Vertretung der Arbeiterklasse«! Der Mantel ist nur leider zu eng geworden, immer mehr Genossen denken in hohen Summen für das Wenige, was sie bieten. Oder aber sie benutzen den Job als Trittbrett für die persönliche Weiterentwicklung. Nun hat im Streit um die Zukunft der Häfen ausgerechnet Frau Schwiegershausen-Güth den Stuhl bei der Gewerkschaft geräumt, oder räumen müssen, um in der Deutschen Botschaft in China (Peking) als »Sozialreferentin« zu »arbeiten«. Wie kommt so etwas zustande? Hier gibt es Probleme in der Gesamtschifffahrt, und angeblich kompetente Kenner der Szene verlassen vor der Lösung eines Problems ihre Klientel, lassen sie im Stich. Ich finde das unsittlich. Und nicht nur das allein ist auffällig, der Verkauf von HHLA-Anteilen könnte seine Fortsetzung finden, wenn die zuständige Senatorin nach Marseille (Patenstadt Hamburgs) reist, um dort vielleicht die ansässige Reederei CMA CGM für die Hafenerweiterung im Westen des Hafens zu gewinnen sucht. Der Küstenklatsch gibt es her, und logisch wäre es auch. Laut HHLA sollen ja über 750 Millionen Euro in die maroden Anlagen investiert werden. Woher nur nehmen, wenn die eigenen Kassen nichts hergeben?
    MfG Klaus Mewes (Kapitän)