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Aus: Ausgabe vom 16.07.2024, Seite 8 / Ansichten

Zwickmühle

Deutsches Interesse an Afrika
Von Arnold Schölzel
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Die Trikolore ist jetzt russisch: Demonstranten fordern ein Ende von Interventionsdrohungen, Embargo und westlicher Truppenpräsenz (Niamey, 29.12.2023)

Kühl beschrieb Autor Denis M. Tull in einem Papier des Außenpolitik- und BND-Instituts »Stiftung Wissenschaft und Politik« im März »Zielkonflikte und begrenzte Handlungsoptionen« der EU und der Bundesrepublik im Sahel und in Westafrika. Eine seiner Schlussfolgerungen: »De facto haben die Europäer keine Hebel, um Regimewechsel zu beschleunigen oder den russischen Einfluss zurückzudrängen. Deutschland und die EU sollten jedoch alles unterlassen, was Regimestabilität fördern könnte.«

Das lässt sich als Anleitung zum zweigleisigen imperialistischen Handeln in der geopolitischen Zwickmühle Afrika lesen: Mit den russland- und chinafreundlichen afrikanischen Militärs friedliche Koexistenz simulieren, weil sie nicht mehr wie gewohnt per Hinrichtungskrieg à la Jugoslawien, Afghanistan oder Irak weggebombt und weggeschossen werden können. Aber nichts tun, was ihnen stabile Verhältnisse sichert. Das schließt ein, die insbesondere von Frankreich und den USA seit dem »Krieg gegen den Terror« geförderte Destabilisierung der Region nicht zu unterbinden, sondern nur verdeckt weiter zu betreiben. Der Westen steht, lässt sich sagen, in solcher Lage kurz vorm Untergang.

Schließlich war sein Antiterrorkrieg stets ein Krieg zur globalen Förderung von Terror durch Kriminelle, dschihadistische Kopfabschneider und seine verlässlichen Schildknappen. Zu denen gehört der Sarkozy-Spezi Alassane Dramane Ouattara, Präsident von Côte ­d’Ivoire, selbstverständlich verfassungswidrig in dritter Amtszeit, aber da er »unser« Schurke ist … Letzte Ausfahrt: Terror köcheln lassen. In den Worten Tulls: »Gleichzeitig ist eine Vielzahl von Szenarien vorstellbar, die zu abrupten politischen Veränderungen führen können. Dazu zählen juntainterne Konflikte und weitere Putsche, aber ebenso Machtübernahmen durch neue politisch-militärische Koalitionen oder erneute soziale Protestbewegungen, die angesichts ungebremster Krisen entstehen können.« Für all das hat der Westen allerhand Expertise gesammelt.

Am Montag wurden beide Varianten in Berlin aufgeführt: Die nette Entwicklungsministerin Svenja Schulze tut was, wenn auch nicht viel, für die arbeitslose Jugend im Sahel. Die aufs Russenfressen spezialisierte Außenministerin hat aber Witterung aufgenommen. Sie besorgt der »wachsende russische Einfluss in der Region«, also besucht sie Ouattaras Terrorakademie. Tull hatte das Rezept ausgestellt: Die Eindämmung lässt sich »partiell über die Kooperation mit den westafrika­nischen Küstenstaaten weiterführen.« Partiell. Die Welt ändert sich.

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