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Aus: Ausgabe vom 17.07.2024, Seite 7 / Ausland
Menschenrechte

Hoffen auf Ausreisemöglichkeit

Serbien: Der türkische Sozialist Ecevit Piroğlu sitzt weiter in Belgrad fest
Von Dieter Reinisch
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Entscheidender Moment: Die Gezi-Proteste in Istanbul haben eine Generation geprägt (6.7.2013)

An den serbischen Behörden liege es nicht, betonen die Freunde und Genossen des türkischen Aktivisten Ecevit Piroğlu in Belgrad auf Anfrage von jW. Vor mehr als einer Woche wurde er in Serbien aus der Haft freigelassen, in der er sich – mit Pausen – seit Sommer 2021 befand, davon 272 Tage im Hungerstreik.

In zwei Instanzen haben serbische Gerichte entschieden, dass er nicht in die Türkei abgeschoben werden darf. Denn Piroğlu war vor drei Jahren aufgrund eines Interpol-Haftbefehls und eines türkischen Auslieferungsersuchens bei der Durchreise am Flughafen in Belgrad festgenommen worden. Piroğlu war aktiv bei den Gezi-Park-Protesten und kämpfte in Nordsyrien als Kommandant kommunistischer Milizen gegen den »Islamischen Staat«. Ankara wirft ihm daher »Terrorismusunterstützung« vor.

Obwohl die Gerichte gegen eine Abschiebung entschieden haben, erhielt Piroğlu trotz vier Anträgen kein Asyl in Serbien. Er darf nicht in die Türkei abgeschoben werden, aber er befindet sich illegal im Land. Die serbischen Behörden drängen ihn, auszureisen – wohl auch wegen Drucks von Ankara auf Belgrad.

Seit über einer Woche versucht sein Anwalt Milan Vuković gemeinsam mit Unterstützern, eine Ausreise zu ermöglichen. Ursprünglich wollte er über die Schweiz nach Brasilien fliegen, wo er kein Visum benötigt und es kein Auslieferungsabkommen mit der Türkei gibt. Um in ein Land zu gelangen, in das Piroğlu ohne Visum einreisen kann, muss er über ein anderes Land fliegen. Doch derzeit stellt ihm kein europäisches Land ein Transitvisum zur Durchreise aus.

Die Zeit drängt, denn rechtlich hat Piroğlu eine Frist von 30 Tagen erhalten, in der er Serbien verlassen muss, betont Özgür Dağ, einer seiner Unterstützer, im jW-Gespräch am Dienstag. Er sieht auch Serbien in der Pflicht: »Sie spielen auf Zeit und schieben die Schengen-Länder als Ausrede vor. Mit anderen Worten, sie sagen, dass die Schengen-Länder nicht wollen, dass er reist.« Er glaubt, Serbien könne mehr tun.

Mit mehreren europäischen Ländern gebe es derzeit Gespräche. Transit durch die Schweiz wurde Piroğlu allerdings bereits vergangenen Mittwoch verweigert. Ein EU-Land hatte später ein entsprechendes Visum versprochen und dann wenige Stunden später wieder zurückgezogen, erzählt Piroğlus Anwalt Vuković. Ein weiteres Land hatte wiederum versprochen, »über das Wochenende über ein Transit- oder humanitäres Visum« zu entscheiden, doch bis jW-Redaktionsschluss gab es kein Ergebnis.

»Die UNO hat im Rahmen des Auslieferungsverfahrens eine Erklärung abgegeben, dass Ecevit nicht an die Türkei ausgeliefert werden darf und auch nicht in andere Länder, in denen er in Gefahr ist«, erklärt Dağ: »Eigentlich müsste daher das UNHCR den Fall aufgreifen. Andernfalls werden die Behörden Ecevit entweder erneut verhaften, weil er sich illegal in Serbien aufhält, oder ihn in ein Land wie Bosnien, Kosovo oder Dubai abschieben.« Von dort würde er dann in die Türkei geschickt werden, befürchten seine Unterstützer.

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