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Aus: Ausgabe vom 17.07.2024, Seite 11 / Feuilleton
Lebensalltag

Nicht so einfach: Überlebensförderung

Von Marc Hieronimus
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Rhythmus? Struktur? Melodie? Das ist keine Neue Musik!

Ein befreundeter Pianist aus dem Iran hat sich einmal nach Fördermöglichkeiten für seine Musik erkundigt. Für Kultur gibt es ja Töpfe, warum nicht auch einmal eine Kelle davon abbekommen? Aber aus welchem Topf genau? Elektronische und Alte Musik machte er nicht, klassisch waren seine Kompositionen logischerweise auch noch nicht. Also Jazz, wo man asymmetrische Taktarten wie die seinen kennt?

Es fehlte die Improvisation. Bei der Weltmusik sagte man ihm, Klavier und Schlagzeug seien ja konventionelle europäische Instrumente, da könne man nichts machen. Er hätte nun argumentieren können, Europa gehöre doch auch zur Welt, folgte aber statt dessen dem gut gemeinten Rat, es bei der Neuen Musik zu versuchen. Dort lachten sie nur: Rhythmus? Struktur? Melodie? Das ist keine Neue Musik! Und so lebt er denn von »Bürgergeld«, das man durchaus als Überlebensförderung bezeichnen kann.

Nun wird mit Ausnahme von Rohstoffen und systemstützenden Denkschmieden wie Libmod in Deutschland nicht gefördert, ohne dass gleichzeitig gefordert würde, auch wenn die zwei Begriffe, anders als fallen/fällen oder wachen/wecken, sich nur zufällig ähnlich sind. Von geförderten Musikern wird verlangt, dass sie auftreten oder Aufnahmen anfertigen. Das ist nicht das Schlimmste, führt aber zu gewissen Marktverzerrungen, zumindest im Jazz. Gekauft werden die CDs nämlich nur von ein paar Ü-60-Zuhörern, die Mittelalten bekommen sie im Tausch für ihre eigenen, und die jungen Leute im Publikum dürfen erst nach dem Studium Förderanträge stellen.

Der kleine Mann von der Straße muss für sein »Bürgergeld« Bewerbungen schreiben, wohin, ist nicht so wichtig. So kommt es, dass zweimal die Woche irgendwelche Bürofachkräfte und Logistikprofis initiativ ihre Unterlagen bei mir einreichen, und zwar mit Gehaltsvorstellungen deutlich über meinem Bruttoeinkommen als freischaffender Lehrer, unbezahlter Musiker und Amateurphilosoph bei der jW. Vielleicht sollte ich einen Job in Aussicht stellen, aber zunächst mal ein Praktikum fordern, irgendwas gibt es ja immer abzuheften oder aufzuräumen. Musiker melden sich leider keine.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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