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Aus: Ausgabe vom 18.07.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Opposition in Israel

Der Juniorpartner

Bündnis mit Israels Arbeitspartei: Auch Meretz ist das Ergebnis eines Zusammenschlusses
Von Knut Mellenthin
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»Wenn Meretz nicht wäre, bekäme Netanjahus Block 61 Sitze und somit die Mehrheit« – Wahlwerbung in Tel Aviv (22.3.2021)

Meretz, der kleinere und etwas progressivere Partner der Arbeitspartei, wurde 1992 als Zusammenschluss von Ratz, Mapam und Schinui mit Blick auf die bevorstehende Parlamentswahl im Juni gegründet. Ratz – mit vollem Namen: »Bewegung für Bürgerrechte und Frieden« – hatte seit 1973 bestanden und war von der starken, eigenwilligen Persönlichkeit ihrer Gründerin und Parteichefin Schulamit Aloni geprägt. Aloni setzte sich für den »Dialog« mit den Palästinensern ein, als das in Israel noch halbwegs mit Haftstrafen bedroht war, sie stand auf einer Ebene mit Uri Avnery, der sie verehrte. Die im Januar 1948 gegründete Mapam, Vereinigte Arbeiterpartei, vertrat sozialdemokratische Positionen links vom Hauptvorläufer der Awoda, Mapai. Die 1974 unter Mitwirkung von Geschäftsleuten gegründete Schinui orientierte auf einen Liberalismus nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in gesellschaftlicher Hinsicht, in Opposition insbesondere zum Herrschaftsanspruch der Orthodoxen und ihrer Parteien.

Als der Zusammenschluss der drei Parteien zum Meretz stattfand, hatten unter deutlichem Druck der US-Regierung die israelisch-palästinensischen Gespräche gerade begonnen. Mit Jitzchak Schamir, dem Chef des Likud, der vor der Staatsgründung an der Spitze einer Terrororganisation gestanden hatte, hatten diese Kontakte aber keine Perspektive. Die Parlamentswahl am 23. Juni 1992 ermöglichte einen Regierungswechsel, da die Awoda mit 34,65 Prozent und 44 Mandaten stärkste Partei vor dem Likud mit 24,89 Prozent und 32 Abgeordneten wurde. Meretz erreichte mit 9,85 Prozent und zwölf Mandaten auf Anhieb ein Ergebnis, das bis heute ihr bestes überhaupt blieb.

Auf dieser Grundlage wurde Jitzchak Rabin Premierminister einer Koalitionsregierung, an der Meretz beteiligt war. Er folgte das erste Oslo-Abkommen im September 1993, das aber von den Rechten erbittert bekämpft wurde und die israelische Gesellschaft irreparabel spaltete. Rabin wurde am 4. November 1995 von einem fanatischen Anhänger der Siedlerbewegung nach dem Ende einer riesigen Friedenskundgebung ermordet, mit der dem Hass und der Hetze der Rechten entgegengetreten werden sollte. Meretz gehörte auch der daraufhin gebildeten Nachfolgeregierung unter Schimon Perez an, verlor aber bei der nächsten Wahl am 29. Mai 1996 drei Mandate. Benjamin Netanjahu wurde zum ersten Mal Premierminister. 1997 besiegelten die drei Gründungsorganisationen von Meretz den vollständigen Zusammenschluss zu einer einheitlichen Partei, die von Juli 1999 bis März 2002 erneut, diesmal unter Ehud Barak, an einer Koalitionsregierung beteiligt war. Bei der Wahl am 1. November 2022 scheiterte Meretz mit 3,16 Prozent der Stimmen an der Sperrklausel und ist zum ersten Mal seit seiner Gründung nicht in der Knesset vertreten.

Die Partei, die sich nun mit der Awoda unter dem Namen »Die Demokraten« zusammenschließen will, versteht sich als zionistisch und gehört der sogenannten Sozialistischen Internationale an. Sie tritt für Frieden zwischen Israel und den Palästinensern auf Basis einer Zweistaatenlösung ein. Was das in der Praxis genau bedeutet, scheint jedoch nicht ausreichend geklärt. Weitere zentrale Themen sind die Minderheitenrechte, einschließlich der LGBT-Rechte, soziale Gerechtigkeit, die Trennung von Staat und Religion, die in Israel nahezu miteinander verschmolzen sind, und volle religiöse Freiheit für nichtjüdische Glaubensgemeinschaften in Israel.

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