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Aus: Ausgabe vom 18.07.2024, Seite 7 / Ausland
Peru

Zwischen Knast und Regierung

Peru: Gestürzter Präsident Castillo und Exdiktator Fujimori wollen bei kommenden Wahlen kandidieren
Von Volker Hermsdorf
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Nach dem Justizputsch in Lima verlangen große Teile der Bevölkerung Neuwahlen (Cusco, 12.12.2022)

Für die peruanischen Präsidentschaftswahlen im Jahr 2026 haben mit Pedro Castillo und Alberto Fujimori gleich zwei ehemalige Präsidenten ihr Interesse an einer Kandidatur angemeldet. Während der linke frühere Dorfschullehrer Castillo, der am 7. Dezember 2022 mit einem parlamentarischen Staatsstreich gestürzt wurde, seitdem im Untersuchungsgefängnis sitzt, war Exdiktator Fujimori (1990–2000) im Dezember 2017 vom damaligen Staatschef Pedro Pablo Ku­czynski begnadigt und vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Selbst wenn die Vorwürfe der rechten Putschisten gegen Castillo wegen angeblicher »Rebellion« zutreffen sollten, wäre er gegenüber Fujimori, der 2007 wegen Korruption, mehrfachen Mordes, des Einsatzes von Todesschwadronen und schwerer Menschenrechtsverletzungen zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt worden war, ein Chorknabe.

Castillo, der im Juni 2021 mit knapp über 50 Prozent zum Präsidenten gewählt worden war, wolle sich als Kandidat der Partei »Todos con el Pueblo« (Alle mit dem Volk) erneut um das höchste Staatsamt bewerben, kündigte sein Anwalt William Paco Castillo am Montag gegenüber dem lokalen Sender RPP an. Obwohl die Verfassung eine sofortige Wiederwahl für diese Position eigentlich verbiete, sei die Kandidatur in diesem Fall möglich, da das derzeitige De-facto-Staatsoberhaupt Dina Boluarte sei, die das Amt seit dem Putsch ausübe, so der Anwalt. Dessen Interpretation ist allerdings umstritten. »Castillo kann nicht kandidieren, weil das Verbot der sofortigen Wiederwahl gilt«, zitierte die Zeitung La República am Dienstag einen Wahlrechtsexperten. Eine erneute Wahl Castillos sei erst möglich, wenn seit dem Ende seiner Regierung mindestens eine weitere verfassungsmäßige fünfjährige Amtszeit vergangen sei. Laut der Zeitung könne der linke Expräsident sich aber um einen Sitz im Kongress bewerben, da er zwar in Untersuchungshaft sitzt, aber noch nicht einmal in erster Instanz rechtskräftig verurteilt wurde. Castillo und seine neue Partei geben sich unbeeindruckt. Auf Parteiplakaten prangt sein Konterfei mit der Aussage: »Ich werde zurückkehren und wir werden Millionen sein!« Kurioserweise behauptet derselbe Experte, der Castillos Bewerbung für illegal hält, dass die seit Dezember 2022 faktisch amtierende Boluarte nicht vom Verbot der sofortigen Wiederwahl betroffen sei, »da sie ja nicht zur Präsidentin gewählt, sondern ihr das Amt übertragen wurde«.

Wie weit Peru unter der Putschregierung mittlerweile an den rechten Rand gerückt wurde, zeigt die mögliche Kandidatur Fujimoris, die seine Tochter und Vorsitzende der Rechtspartei »Fuerza Popular« Anfang der Woche angekündigt hat. »Mein Vater und ich haben beschlossen, dass er Präsidentschaftskandidat sein wird«, verbreitete Keiko Fujimori zunächst auf X. Gegenüber der Zeitung El Comercio erklärte sie später, ihr Vater habe gesagt, »dass er sich an der Politik beteiligen wolle«. Sie unterstütze das, weil »er viel Erfahrung habe«. Die Ankündigung ist im In- und Ausland teilweise mit Entsetzen aufgenommen worden.

Fujimori, der am 28. Juli 86 Jahre alt wird, war unter anderem für Massaker in Barrios Altos (1991) und La Cantuta (1992) verurteilt worden, bei denen 25 Menschen, darunter ein Kind, im Rahmen einer angeblichen Antiterrormission von Todesschwadronen der Armee getötet worden waren. Im Jahr 2000 hatte sich der ehemalige Staatschef zunächst nach Japan abgesetzt, war 2005 aber in Chile festgenommen und 2007 nach Peru ausgeliefert worden. Im März 2022 begannen Anhörungen eines seit 20 Jahren verschleppten weiteren Prozesses wegen Zwangssterilisationen von Hunderttausenden Frauen und Männer in den Neunzigerjahren. Schätzungen zufolge waren während Fujimoris Amtszeit mehr als 300.000 überwiegend indigene Frauen und rund 22.000 Männer gegen ihren Willen sterilisiert oder unter falschen Versprechungen zu Eingriffen gedrängt worden, die in den meisten Fällen ohne Anästhesie und postoperative Versorgung erfolgten. Dem Expräsidenten werden in diesem Zusammenhang »Verbrechen gegen das Leben und die Gesundheit« und »schwere Körperverletzung mit Todesfolge« vorgeworfen.

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