75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Sa. / So., 07. / 8. September 2024, Nr. 209
Die junge Welt wird von 2927 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 18.07.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Industriepolitik

USA drohen ASML-Konzern

Niederländischer Chipmaschinenhersteller betreibt regen Handel mit China, trotz anhaltender Einschüchterungsversuche aus Washington
Von Gerrit Hoekman
9.JPG
Aus dem Innenleben einer High-Tech-Fabrik: Halbleiterproduktion auf Hochtouren (Veldhoven, 4.4.2019)

Der niederländische Multi ASML, weltweit führender Hersteller der modernsten Lithographiesysteme zur Halbleiterproduktion, hat am Mittwoch die Geschäftszahlen für das zweite Quartal 2024 bekanntgegeben. Fazit: Es lief besser als erwartet nach der kleinen Delle im ersten Quartal. Zwischen April und Juni verbuchte der Betrieb einen Zuwachs von 54 Prozent an neuen Bestellungen. Wichtigster Markt bleibt mit großem Abstand China. Fast die Hälfte des Umsatzes erzielte ASML in der Volksrepublik.

US-Präsident Joseph Biden erwäge, die »härtesten Handelsbeschränkungen, die es gibt«, gegen ASML zu verhängen, hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg am Mittwoch kurz vor Bekanntgabe des Quartalsberichts vermeldet. Auch das japanische Unternehmen Tokyo Electron soll der Präsident im Visier haben. Denkbar sei ein Verbot, bereits in China laufende Maschinen zu warten und zu reparieren. Diese Maßnahme würde Washington ergreifen, falls die niederländische Regierung die Beschränkungen nicht von sich aus verschärfe, berichtete die niederländische Tageszeitung AD am Mittwoch. »Das könnte ein schwerer Schlag für ASML sein«, so die Zeitung. Der Konzern lehnte eine Stellungnahme ab.

Im März 2023 von den USA verhängte Exportbeschränkungen verbieten dem ASML bereits, seine gewinnträchtigste Technologie nach China zu verkaufen, nämlich das Extreme-Ultraviolet-Modell (EUV). Die USA wollen Chinas technologische Entwicklung behindern und auf diese Weise einen unangenehmen Konkurrenten auf wirtschaftlicher, politischer und militärischer Ebene niederhalten. Um die Beschränkung durchzusetzen, übte Washington starken Druck auf die niederländische Regierung aus, die schließlich kuschte. Aber obwohl ASML nur noch ältere Maschinen der Deep-Ultraviolet-Reihe (DUV) an China liefern darf, ist das Reich der Mitte weiterhin der beste Kunde.

Die Börse reagierte am Mittwoch sofort auf die Neuigkeiten aus Washington: Trotz stark verbesserter Auftragslage, einem deutlich höheren Umsatz und einem um 33 Prozent höheren Nettogewinn von 1,6 Milliarden Euro gab der Aktienkurs von ASML bis zum Redaktionsschluss um mehr als fünf Prozent nach. Das Betriebsergebnis kann kaum der Grund sein. »Unsere Umsätze lagen am oberen Ende unserer Guidance, mit einer Bruttomarge über den Erwartungen«, gab der Vorstandsvorsitzende Christophe Fouquet am Mittwoch in einer Pressemitteilung bekannt. Guidance ist Managersprech und bedeutet nichts anderes als Prognose.

Im zweiten Quartal verkaufte ASML Maschinen im Wert von 6,2 Milliarden Euro. Etwas weniger als die Hälfte davon entfiel auf die modernsten Geräte, die aktuell auf dem Weltmarkt zu bekommen sind, und die nur in der Kleinstadt Veldhoven unweit von Eindhoven hergestellt werden. »ASML hat in diesem Bereich eine Monopolstellung und verdient damit am meisten Geld«, so die Tageszeitung Eindhovens Dagblad am Mittwoch. In der Halbleiterindustrie sind die Maschinen von ASML das Nonplusultra, das Beste vom Besten. Wer Smartphones produzieren will, kommt um sie kaum herum. Auch künstliche Intelligenz wird durch die Produkte aus Veldhoven schlauer. Anfang 2024 war ASML das wertvollste Technologieunternehmen in Europa.

»Im Einklang mit den vorangegangenen Quartalen verbessern sich die Halbleiterbestände insgesamt weiter. (…) Obwohl es immer noch Unsicherheiten auf dem Markt gibt, die hauptsächlich auf das makroökonomische Umfeld zurückzuführen sind, gehen wir davon aus, dass sich die Erholung der Branche in der zweiten Jahreshälfte fortsetzen wird«, zeigte sich CEO Fouquet optimistisch. Für das kommende Jahr erwartet ASML eine deutliche Gewinnsteigerung.

Allerdings liegt der Konzern nicht nur mit den USA im Clinch, sondern auch mit der eigenen Regierung. Unlängst drohte er, die Niederlande zu verlassen, falls Den Haag den Zuzug von ausländischen Fachkräften erschwere. Immerhin stammen mehr als 40 Prozent der Belegschaft aus dem Ausland. Ein Weggang des Unternehmens wäre für das Land und die Region ein Desaster. Mit 22.000 Beschäftigten ist der Konzern der größte »Arbeitgeber« in Südost-Brabant.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von N. Schreiber aus München (18. Juli 2024 um 12:24 Uhr)
    Nun ja …, wenn sie von den westlichen Kapitalfraktionen weiter unter Druck gesetzt werden, Mangel an Fachkräften wegen der immer weiter zunehmenden Faschisierung der Weststaaten beklagen müssen und eh den meisten Umsatz in China bzw. noch wesentlich mehr mittels der High-High-Tec und in Zukunft sowieso dort machen können, liegt ziemlich nahe, wo sie den neuen Hauptsitz haben werden.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (17. Juli 2024 um 23:02 Uhr)
    Da bin ich ja gespannt, ob das scheue Reh abhaut. Und wenn, wohin. Dort müssten ja die zartesten Knöspchen locken.

Ähnliche:

  • »Engste Verbündete in Fernost«: Training im Umgang mit EUV-Masch...
    25.01.2024

    US-Verbote gehen nach hinten los

    Jahresbilanz des Chipmaschinenherstellers ASML: Trotz drastischer Beschränkungen mehr Ausfuhren nach China
  • »Sehr spezifische Technologien im Halbleiterproduktionszyklus« (...
    11.03.2023

    Den Haag macht mit

    Wirtschaftskrieg gegen China: Niederlande verhängen Exportverbot für Chipmaschinen, USA treibende Kraft, KPCh warnt vor »schwerwiegenden Folgen«
  • Auszubildende an einer Maschine zur Chipherstellung des niederlä...
    06.02.2023

    Halbleiterkrieg, nächste Runde

    US-Initiative: Spezialmaschinen zur Chipproduktion sollen künftig nicht mehr nach China geliefert werden. Beijing strebt nach technologischer Unabhängigkeit

Mehr aus: Kapital & Arbeit