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Aus: Ausgabe vom 18.07.2024, Seite 11 / Feuilleton
Kino

Schaltet die Russen aus

Zum Wohle der Menschheit: Der Weltraumthriller »I. S. S.«
Von Robert Best
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Gehen sie einander an die Gurgel? Russisch-US-amerikanische Besatzung der ISS in »I. S. S.«

Ab in die Berge und die Dunkelheit abwarten: Da wirft sich der Nachthimmel ja gerne in sein majestätischstes Kleid. So wenig Lichtverschmutzung, so viele Sterne! Wenn dann ein Joint rumgeht und von Osten her eine tief fliegende Sternschnuppe auftaucht, die gar nicht verglühen will, und dann jemand ausruft: »Das ist die ISS!«, dann lässt sich, wenn man Netz hat, nachgoogeln und feststellen: Tatsache, die ISS ist aktuell genau über uns unterwegs. Bis sie ein paar Sekunden darauf wieder im Westen verschwindet.

Die Internationale Raumstation (englisch International Space Station, kurz ISS) umrundet in circa 400 Kilometer Höhe mit 28.000 Kilometer pro Stunde permanent die Erde. Ein multinationales Projekt, initiiert von den Raumfahrtagenturen Roskosmos und NASA. Es soll mindestens bis 2030 weiterlaufen, egal, was Russland und die USA sonst so treiben.

In der Populärkultur bietet die ISS eine ideale Projektionsfläche für eine friedlich und brüderlich vereinigte Menschheit. Da bildet auch Ga­briela Cowperthwaites Spielfilm »I. S. S.« keine Ausnahme. Zwei Russen, eine Russin, eine US-Amerikanerin und zwei US-Amerikaner teilen sich je eine Flasche Wodka und Tequila und singen zusammen »Wind of Change«. Weil Alkohol im All viel stärker wirkt, ist er auf der ISS nur als Schmuggelware zu haben. Wasser gibt es dagegen genug. Der Urin der Kosmonauten und Kosmonautinnen wird zu 93 Prozent als Trinkwasser aufbereitet. Auch nüchtern lässt sich gut beschwingt sein. Weronika und Gordon finden während eines Karaokeabends zusammen: »Schwerelosigkeit und David Bowie: Es gibt keine bessere Kombination.«

Dr. Kira Forster (überzeugend unruhig gespielt von Ariana DeBose), die Neue an Bord, hat eine Handvoll Mäuse mitgebracht. Sie will den Effekt der Schwerelosigkeit auf Organe untersuchen, ihr Forschungsgebiet ist die regenerative Medizin. »Das endet nicht gut«, warnt einer ihrer Mitbewohner beim Anblick des Käfigs, in dem die Mäuse hilflos durcheinanderschweben. Tatsächlich ist bald die erste tot. Ein schlechtes Omen! Auch Kira hat zu Beginn Mühe mit dem freien Flottieren. Gewöhnen muss sie sich auch daran, dass die Ressourcen knapp sind und alles geteilt wird. »Wir sind eine weiterentwickelte Gattung«, deklamiert Weronika und spielt damit wahrscheinlich auf den auf der Erde lebenden Homo sapiens an. Privilegien gibt es an Bord trotzdem – in Form von Vertrauensbeziehungen.

Diese »Währung« wird wichtig, als der entscheidende Wendepunkt eintritt. Kira beobachtet etwas auf der Erde. Es sieht aus wie ein Vulkanausbruch. Dann noch einer und noch einer. In Wirklichkeit handelt es sich um nukleare Detonationen. Russland und die USA führen Krieg gegeneinander. Es dauert nicht lange, da blinken die Vintage-Thinkpads der Besatzung auf. Gordon erhält eine geheime Nachricht: »Ihr müsst die Kontrolle auf der I. S. S. übernehmen. Schaltet die russische Besatzung aus. Um jeden Preis.« Haben die Russen eine ähnliche Botschaft erhalten? Und wenn ja, was machen die Mitglieder der Weltraum-WG aus dieser Symmetrie des Schreckens? Gehen sie einander an die Gurgel? Verbünden sie sich gegen ihre Vorgesetzten?

Die Spannung, die der Film in Momenten wie diesen aufbaut, kann er nicht dauerhaft aufrechterhalten. Auch sein Klaustrophobiepotential spielt er nicht voll aus. Dass dem Zuschauer die Perspektiven der US-Astronauten näher gelegt werden als die der Russen, ist so erwartbar wie dumm. Und schade. Denn nach einer Laufzeit von angenehmen anderthalb Stunden, in der die reale ISS einmal die Erde umrundet, bleibt das Gefühl, da wäre mehr drin gewesen als ein solider Weltraumthriller.

»I. S. S.«, Regie: Gabriela Cowperth­waite, USA 2023, 95 Min., Kinostart: heute

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