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Aus: Ausgabe vom 19.07.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Plenum des ZK der KPCh

»Produktivkräfte neuer Qualität«

Chinas KP setzt alle Anstrengungen auf technologischen Durchbruch
Von Jörg Kronauer
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Von der Werkbank der Welt zum Motor des technischen Fortschritts: Arbeiter in Changzhou (7.4.2021)

Der Begriff »Produktivkräfte neuer Qualität« ist im offiziellen Sprachgebrauch der Volksrepublik China zum ersten Mal im September 2023 verwendet worden. Damals führte ihn, zunächst noch in der knapperen Form »neue Produktivkräfte«, Präsident Xi Jinping ein, als er sich auf einer Reise durch die Provinz Heilongjiang ganz im Nordosten der Volksrepublik befand, einem traditionellen Zentrum der alten Schwerindustrie. Der Begriff soll eine Abkehr vom bisherigen Wachstumsmodell begleiten, das stark vom Boom der alten Industrien, vom Ausbau der Infrastruktur und von der Immobilienbranche getragen wurde und das sich am rasanten Anstieg der chinesischen Wirtschaftsleistung messen ließ. In Zukunft soll geringeres Gewicht auf diese Branchen gelegt werden und größeres auf modernste Technologien; im Zentrum soll eine qualitative Weiterentwicklung stehen, weniger die Quantität.

Wirklich scharf abgegrenzt ist der Begriff »Produktivkräfte neuer Qualität« zumindest im politischen Alltagssprachgebrauch noch nicht. Er wird oft auf Zukunftstechnologien bezogen, bei denen China schon heute stark ist, teilweise sogar auf den Weltmärkten in Führung liegt. Genannt werden gern drei Sektoren: die Elektromobilität, die Batterieproduktion und die Solarbranche. Schärfer gefasst hat den Begriff im April Gao Zhikai, Vizepräsident des Centers for China and Globalization sowie Professor an der Universität Suzhou. Eine zentrale Rolle spielen demnach Daten, die in einigen Branchen schon »zu einem entscheidenden Produktionsfaktor« geworden seien, erläuterte Gao: »in mehreren Schlüsselsektoren«, in der Digitalwirtschaft etwa und bei der künstlichen Intelligenz, »boomen die Produktivkräfte neuer Qualität bereits«. Sie stellten »ein völlig neues Produktionsmodell dar«, das auf lange Sicht »das bestehende Produktionsmodell grundlegend verändert«.

Wie auch immer man den Begriff genau definiert: Er hat sich inzwischen durchgesetzt. Er stand etwa im Mittelpunkt einer Studiensitzung des Politbüros Ende Januar, und er wurde auf der Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses im März als neues wirtschaftliches Leitbild präsentiert. Auch auf der am Donnerstag zu Ende gegangenen dritten Plenartagung des 20. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas spielte er eine zentrale Rolle.

Klar scheint zweierlei. Das eine: Die Produktivkräfte neuer Qualität beruhen mehr denn je auf wissenschaftlichem Fortschritt, auf Forschung und Entwicklung. Bereits im vergangenen Jahr hob Xinhua hervor, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung seien im Jahr 2022 in China insgesamt um 10,1 Prozent auf rund 411 Milliarden US-Dollar gestiegen; rund 84 Prozent des Zuwachses seien nicht von Forschungsinstituten, sondern von Unternehmen geleistet worden. Die Regierung in Beijing steigert ihre entsprechenden Etatposten in diesem Jahr um zehn Prozent, ihre Aufwendungen für die Grundlagenforschung gar um 13 Prozent. Letzterer kommt angesichts der grundlegenden technologischen Umbrüche eine wichtige Rolle zu.

Und das zweite: Durchbrüche bei den modernsten Technologien lassen sich besser erzielen, wenn Wissenschaft, Forschung und Entwicklung in stärkerem Maß koordiniert bzw. geplant werden. Beijing hat beschlossen, nicht nur staatliche, sondern auch private Unternehmen einzubeziehen und sie zu veranlassen, mehr und gezielter in Forschung und Entwicklung zu investieren. Zudem ist eine stärkere Ausrichtung der Unternehmen an den großen Zielen der Entwicklung der chinesischen Wirtschaft vorgesehen. Ohne breitere staatliche Eingriffe wird das nicht gehen. Schließlich will Beijing all dies intensiver mit dem Bildungssystem verkoppeln, um Reibungsverluste zu vermeiden.

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