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Aus: Ausgabe vom 19.07.2024, Seite 5 / Inland
Hochschulpolitik

Proteste an hessischen Unis

Studierende und Hochschulbeschäftigte demonstrieren gegen Befristungswesen und Kürzungspläne
Von Freya Pillardy
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Kasseler Unibeschäftigte forderten am Donnerstag feste Arbeitsverträge, keine Zeitverträge mehr

Sie haben den Hörsaal gegen die Straße getauscht. Am Donnerstag protestierten Studierende, Hochschulbeschäftigte sowie Vertreter der Gewerkschaften GEW und Verdi gegen Kürzungspläne und das Befristungswesen an Hochschulen in Hessen, etwa für studentische Hilfskräfte. Ein landesweiter Protest an mehreren Unistandorten: Insgesamt beteiligten sich rund 1.000 Personen, davon 500 in Darmstadt, jeweils 200 in Marburg und Frankfurt am Main und 100 in Kassel. Für Freitag mittag ist eine weitere Protestaktion in Gießen geplant.

In der vergangenen Woche hatte der Hessische Landtag mit den Stimmen der »schwarz-roten« Regierungskoalition den Nachtragshaushalt für 2024 beschlossen. Im Ergebnis sollen die hessischen Hochschulen 34 Millionen Euro weniger zur Verfügung gestellt bekommen als ursprünglich vorgesehen. Die Protestierenden befürchten Verschlechterungen der Arbeits- und Lernbedingungen an den Hochschulen. Stellenstreichungen bedeuten Arbeitsverdichtung und Qualitätsverlust bei Forschung und Lehre. Das Ende von Studiengängen ist zu befürchten. Und nicht zuletzt ist die Bausubstanz einiger Hochschulen völlig marode. Ende vergangenen Jahres stürzte das Dach eines Hörsaales an der Universität Marburg ein.

Aber nicht nur die Hochschulen sind von den Kürzungen betroffen, auch die Studierendenwerke. Entsprechend ist mit der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für deren Beschäftigte zu rechnen, mit steigenden Semesterbeiträgen, steigenden Mensapreisen …

Es ging den Protestierenden nicht nur um den Nachtragshaushalt für 2024. Befürchtet werden weitere harte Einschnitte im Rahmen des Haushalts von 2025 und bei den anstehenden Beratungen über den sogenannten hessischen Hochschulpakt 2026 bis 2030. All das muss auch im Licht der – mittlerweile verlangsamten, aber weiterhin bestehenden – Preissteigerungen betrachtet werden. Denn wenn alles teurer wird, bedeuten selbst gleichbleibende Mittel de facto Kürzungen.

Der hessische Wissenschaftsminister Timon Gremmels (SPD) und seine Fraktion versuchen die Proteste für sich zu vereinnahmen und behaupten, die Demos würden der SPD den Rücken stärken in den kommenden Haushaltsberatungen mit dem Koalitionspartner CDU.

Hintergründe der Kürzungsoffensive kamen bei den Protestkundgebungen zur Sprache. Teilnehmer kritisierten unter anderem das Festhalten an selbstgemachten Sachzwängen mit Hilfe der Schuldenbremse und die ungleiche Verteilung von Vermögen in Deutschland. Die Umverteilung des Reichtums mittels Steuerreformen wurde gefordert. Dass die derzeit laufenden Angriffe auf die werktätige Bevölkerung auch im Kontext der Kriegsertüchtigung der Gesellschaft und der steigenden Rüstungsausgaben begriffen werden müssen, wurde allerdings nur durch einzelne Protestierende mit Schildern deutlich gemacht.

Eine widersprüchliche Haltung nahm die Konferenz Hessischer Universitätspräsidien (KHU) ein. Einerseits kritisierte sie in einer Stellungnahme die aktuellen Kürzungen, andererseits war sie Gegenstand der Kritik eines Redners bei den Protesten in Kassel. Er erinnerte daran, dass die KHU im April noch bemängelt hatte, dass im Rahmen des Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes des Landes Hessen erste Schritte zur Schaffung von mehr unbefristeten Stellen gegangen wurden. Der Kasseler Redner machte darauf aufmerksam, dass Dauerstellen – neben besseren Arbeits- und Lernbedingungen – auch einen besseren Schutz gegen Kürzungen bieten.

Grundtenor bei den Protesten ist: Bessere Bildung kriegen wir nicht geschenkt, dafür müssen wir laut sein. Entsprechend sind weitere Aktionen im kommenden Wintersemester geplant.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Ronald B. aus Kassel (19. Juli 2024 um 10:27 Uhr)
    Als DKP-Hoffnungsträgerin muss die jW-Berichterstatterin in ihrem Artikel selbstredend nicht erwähnen, das die hessischen Hochschulproteste in Kassel von dem hessischen Linke-MdB Jörg Cézanne durch Anwesenheit auf dem Campus und in Darmstadt gar durch eine Rede der Linke-Vorsitzenden Janine Wissler unterstützt wurden - in explizit einer Parteizeitung der DKP (sprich der Wochenzeitung »Unsere Zeit«/»UZ«) hätte für einen diesbezüglichen Halbsatz auch nur keine Notwendigkeit bestanden, der jW-Leserschaft in ihrer Gänze aber will ich diese Unterstützung der Linkspartei für die Uni-Mitarbeiter nicht völlig vorenthalten, schon allein deshalb, weil ich anders als andere bei DKP und scheinst auch jW die Linkspartei zwar für kritikwürdig, aber eben nicht für den Hauptfeind schlechthin halte.
    • Leserbrief von Robin Höhn aus Kassel (22. Juli 2024 um 10:49 Uhr)
      Dann hätte man in diesem Zuge auch wohlwollend die Anwesenheit von aktiven SDAJlern sowie DKPlern erwähnen können, was man aber auch nicht getan hat. Zudem ist auf dem Campus Parteienwerbung ohnehin verboten. Diese Unterstellung ist einfach nur zynisch. Natürlich ist es zu begrüßen, dass auch die PDL sich an den Protesten beteiligt, aber hier ein Gegeneinander aufzumachen halte ich für die falsche Herangehensweise in der hoffentlich gemeinsam Aktion gegen Sozialabbau und Militarisierung.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (19. Juli 2024 um 11:05 Uhr)
      In der Sache haben Sie recht. Nur am Ton könnten Sie noch ein wenig feilen. Tritte gegens Schienbein sind in der politischen Auseinandersetzung nicht unüblich. Nützlich sind sie nicht, wenn es eher ums Zusammenwirken gehen soll.

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