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Aus: Ausgabe vom 19.07.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Chipindustrie

Trump brüskiert Taiwan

Erratische Äußerungen. Aktien des Chipherstellers TSMC auf Talfahrt
Von Alexander Reich
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»Heiliger Berg für den Schutz des Landes«: TSMC-Fabrik in Taiwan

Mit skeptischen Äußerungen zu einem möglichen Krieg gegen China hat US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump die Aktien des weltgrößten Chipherstellers auf Talfahrt geschickt. Die Papiere von Taiwan Semiconductor Manufacturing Co. Ltd. (TSMC) verloren am Donnerstag in Taipei bis zu vier Prozent, nachdem sie am Mittwoch an der US-Technologiebörse NASDAQ bereits um mehr als sieben Prozent eingebrochen waren. Dass der Konzern am Donnerstag prächtige Quartalszahlen vorlegte, konnte den Abwärtstrend zunächst nicht stoppen.

Trump hatte am Dienstag im Interview mit Bloomberg erklärt: »Ich würde mich nicht allzu sicher fühlen, wenn ich Taiwan wäre.« Die USA erkennen Taiwan offiziell nicht an, sind aber dessen Schutzmacht. Der amtierende Präsident Joseph Biden hat wiederholt versprochen, »Verteidigungstruppen« zu schicken, falls die KPCh die Insel im Rahmen ihrer international anerkannten Ein-China-Politik vollständig in die Volksrepublik eingliedern wolle. Trump erklärte in dem Gespräch mit Bloomberg, die USA hätten für Taiwan die Rolle einer »Versicherungsgesellschaft«, die nichts kosten würde, und wiederholte die aus der Luft gegriffene Behauptung, Taiwan habe »fast 100 Prozent« der US-Halbleiterindustrie übernommen.

In Taiwan werden mehr als neun Zehntel der modernsten Chips produziert, hauptsächlich von TSMC. Der Auftragsfertiger beliefert fast alle großen Halbleiterfirmen weltweit, von Apple bis Qualcomm. Die leistungsstarken Chips stecken in Autos, Computern, Smartphones, Zügen und sind für die Entwicklung von Anwendungen künstlicher Intelligenz kaum verzichtbar. Darum ist TSMC auch Hauptlieferant des US-Halbleiterriesen Nvidia. Während dieser bereits Ende Mai zum ersten Mal auf einen Börsenwert von mehr als einer Billion US-Dollar kam, durchbrach in der vergangenen Woche auch TSMC die Schallmauer. Seit Jahresbeginn hatten die Aktien mehr als 80 Prozent zugelegt.

Nun ist der Höhenflug also erst mal gestoppt. Mehr als 100 Milliarden US-Dollar an Marktkapitalisierung hat TSMC in den vergangenen Tagen schon wieder verloren. An den Geschäftszahlen lag es nicht. Der Umsatz ist im zweiten Quartal um fast ein Drittel auf 20,8 Milliarden Dollar gewachsen, wie der Konzern am Donnerstag mitteilte. Der Gewinn stieg um 36 Prozent auf knapp sieben Milliarden Dollar.

Als Reaktion auf Trumps Äußerungen erklärte Taiwans Ministerpräsident Cho Jung-tai am Mittwoch: »Taiwan und die USA tragen eine gemeinsame Verantwortung für die indopazifische Region der Taiwanstraße, und wir sind bereit, mehr zu tun, um uns zu verteidigen und unsere Sicherheit zu schützen.« Wobei Taiwan sich bereits zum Kauf von Waffen aus den USA für viele Milliarden US-Dollar verpflichtet hat, nicht zuletzt während der Präsidentschaft Trumps.

Marktführer TSMC baut zwar zunehmend Werke im Ausland, die mit Abstand größten Produktionskapazitäten sind aber nach wie vor in Taiwan. Im Volksmund soll der Konzern den Namen »Heiliger Berg für den Schutz des Landes« haben. In diesem Sinne forderte Ministerpräsident Cho am Mittwoch die Chiphersteller auf, auch die Abteilungen für »Forschung und Entwicklung in Taiwan zu belassen«.

TSMC expandiert seit jüngerer Zeit erstmals in der 30jährigen Firmengeschichte im großen Stil ins Ausland. 65 Milliarden US-Dollar steckt der Konzern in drei neue Werke im US-Bundesstaat Arizona. In Japan werden Produktionsstätten errichtet. Und eine Chipfabrik in Dresden will TSMC sich zehn Milliarden Euro kosten lassen.

Offiziell verfolgen die USA gegenüber Taiwan eine Politik der »strategischen Mehrdeutigkeit«: Es soll unklar bleiben, ob die Insel im Zweifel militärisch unterstützt wird oder nicht. Biden ist davon mit offenen Affronts gegen China abgewichen, Trump nun eher in die Gegenrichtung ausgeschert. An anderer Stelle in dem Bloomberg-Interview erklärte er: Chinas Präsident Xi Jinping »war bis zur Pandemie ein sehr guter Freund von mir«. Für den Fall seiner Rückkehr ins Weiße Haus versprach Trump, er werde Einfuhren aus China mit Zöllen zwischen 60 und 100 Prozent belegen, das Verbot der Tik-Tok-App aber zurücknehmen. Verlass ist auch darauf nicht.

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  • Leserbrief von Volker Wirth aus Berlin (22. Juli 2024 um 12:31 Uhr)
    Einspruch! Trump kann vielleicht das nostalgisch-separatistische Regime in der Inselhauptstadt Taibei (»Taipeh«), das noch immer vorgibt, die »Republik China« zu sein, aber doch nicht die chinesische Insel Taiwan brüskieren! Und was ist, bitte sehr, denn eine »Schutzmacht«? Wenn es so etwas gibt, dann war doch wohl Russland als Partner der Minsker Abkommen wohl eine für die Donbass-Volksrepubliken Donezk und Lugansk, speziell als das Kiewer Regime erneut mit der ein Jahr zuvor angekündigten Rückeroberung des Donbass ernst zu machen versuchte! Bei »Taiwan« gab es nie eine vergleichbare Vereinbarung. Der Unterschied ist zudem: im Donbass ging es und geht es um Russen, die die ukrainischen Chauvinisten vertreiben wollten, auf Taiwan aber um Chinesen, deren Leben und Handeln auf der Insel nicht beeinträchtigt würde! Auch wenn dort mal wieder separatistische Kräfte an der künstlichen Erzeugung einer »taiwanesischen Nation« arbeiten, »es gibt nur ein China«! Der Tenor des Beitrages richtet sich klar hiergegen – und passt darum gar nicht in meine Zeitung!
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (18. Juli 2024 um 20:09 Uhr)
    Was schreibt die South China Morning Post am 18. Juli 2024 um 12:49? (https://www.scmp.com/news/china/article/3270864/us-initiative-produce-semiconductors-latin-america-announced-antony-blinken): »The United States has launched a programme meant to expand semiconductor manufacturing in Mexico, Costa Rica and Panama, with plans to potentially include other countries in the Americas.« (Die Vereinigten Staaten haben ein Programm zum Ausbau der Halbleiterproduktion in Mexiko, Costa Rica und Panama gestartet, mit Plänen möglicherweise auch für andere Länder in Nord- und Südamerika.) Das passt doch mit allen möglichen erratischen Äußerungen zu Taiwan zusammen.

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