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Aus: Ausgabe vom 19.07.2024, Seite 14 / Medien
Spaltungspläne bei Springer

Döpfner mit dem Rücken zur Wand

Vorstand des größten BRD-Medienkonzerns verhandelt über dessen Zerschlagung. Der US-Finanzinvestor KKR will dabei möglichst viel abhaben
Von Gert Hautsch
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Der Investor will seinen Anteil, für Springer könnte das eine Aufspaltung bedeuten

Wer mit dem Teufel frühstücken will, muss einen langen Löffel haben, heißt es. Ob der von Mathias Döpfner ausreicht, muss sich zeigen. Ein Bericht der Financial Times sorgte vergangene Woche für Aufsehen: Der Vorstandsvorsitzende von Springer verhandelt demzufolge mit dem Finanzinvestor KKR über eine Aufspaltung des Berliner Medienhauses. Springers Geschäftsbereich »Classifieds Media« solle abgetrennt und von KKR übernommen werden. Im Geschäftsjahr 2021 hat er knapp 40 Prozent des Konzernumsatzes gebracht. Die Axel Springer SE würde auf die Geschäftsfelder »News Media« (56 Prozent Umsatzanteil, davon 35 Prozent im Inland) und »Marketing Media« (5 Prozent) verkleinert.

Noch ist es nicht soweit, aber der FT-Bericht wurde nicht dementiert. KKR ist 2019 bei Springer mit 48,5 Prozent als Hauptaktionär eingestiegen, die Verlegerwitwe Friede Springer und Mathias Döpfner halten zusammen 44,4 Prozent. Döpfner wollte mit dem Deal Geld beschaffen, um seinen Konzern zum führenden globalen digitalen Medienhaus zu machen. Er kaufte damit die US-Medienplattform Politico. KKR versprach sich einen hohen Wiederverkaufspreis für seine Anteile. Finanzinvestoren sind keine langfristigen Anleger, ihr Horizont beträgt fünf bis sieben Jahre, danach wollen sie ihr Investment beenden. Dieser Zeitraum ist erreicht.

Für den Ausstieg war ein festes Szenario vorgesehen. Springer besitzt zwei hoch profitable und schnell wachsende globale Tochterkonzerne, die in »Classifieds Media« gebündelt sind: das Stellenportal Stepstone und die Immobilienbörse Aviv. Stepstone allein wurde 2021 auf sieben Milliarden Euro Aktienwert gewichtet und sollte ebenso an die Börse gebracht werden wie Aviv. Die beiden Unternehmen wären im Konzern geblieben. Vom Erlös hätte Springer seine Aktien von KKR zurückkaufen können. Das klappte aber trotz mehrerer Anläufe nicht, die Coronapandemie und danach der Ukraine-Krieg verdarben das Klima für Börsengänge nachhaltig. Eine Aufspaltung Springers und die Abtrennung des Rubrikengeschäfts sind offenbar der Plan B.

Döpfner befindet sich in einer prekären Lage. Die »Classifieds« sind deutlich profitabler als die »News Media«. Ihr Verlust würde den Finanzspielraum deutlich einschränken. Springer hat aber 2021 für Politico einen stark überhöhten Preis von 881 Millionen Euro bezahlt. Das war eine Wette auf die Zukunft: Das Vorhaben kann nur gelingen, wenn die Plattform in absehbarer Zeit erfolgreich an die Börse gebracht werden kann. Dazu muss sie sehr schnell wachsen und ihren Unternehmenswert steigern. Von 30 bis 50 Prozent war zwischenzeitlich die Rede, andernfalls werde das Ganze zum Flop.

Vor diesem Hintergrund sind die Manöver im Geschäftsbereich »News Media« in Deutschland zu sehen. Im Februar 2023 hat Döpfner drastischen Stellenabbau angekündigt, zudem verlangte er eine Steigerung des Ebitda-Profits (nicht des Umsatzes) um 100 Millionen Euro in zwei Jahren. Ende 2023 wurden das Portal Upday angezählt und das Senderformat Bild-TV liquidiert. Jüngst hat der Vorstandschef verkündet, dass er einen Großteil der journalistischen Tätigkeiten von Textrobotern (»künstliche Intelligenz«) erledigen lassen will.

In ersten Kommentaren zum Bericht über die Spaltungspläne wurde positiv vermerkt, Springer könne sich in diesem Fall wieder verstärkt als Medienunternehmen aufstellen. Das wäre nicht unbedingt eine gute Nachricht. Döpfner hat sich völlig von den Kapitalmärkten abhängig gemacht. Klappt seine Strategie nicht, steht er mit dem Rücken zur Wand. KKR wird bei den Verhandlungen alles daransetzen, möglichst viel von Springer mitzunehmen. Eine Verdoppelung des eingesetzten Kapitals (seinerzeit 3,3 Milliarden Euro) läge im Bereich des Üblichen. Döpfner hat dem wenig entgegenzusetzen, sein Löffel wird – um im Bild zu bleiben – der kürzere sein.

Für den gestutzten Springer-Konzern hat sein Chef gleichwohl große Pläne (»weltweit der führende digitale Verlag«). Er wird das Mediengeschäft global ausrichten, mit dem Schwerpunkt in den USA. Demnächst will er es in New York an die Börse bringen, um den Kaufpreis zu amortisieren und Geld für weitere Akquisitionen zu beschaffen. Ob das klappt, muss sich erst noch zeigen. Den Kern werden die US-Marken Politico und Business Insider bilden, die hiesige Bild/Welt-Gruppe wird nur noch nebenher mitlaufen. Der Spardruck auf die Belegschaften dürfte sich weiter verschärfen. Dass er dabei keine Skrupel kennt, hat Döpfner schon oft bewiesen.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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