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Aus: Ausgabe vom 20.07.2024, Seite 1 / Titel
Nahostkonflikt

Ziel Tel Aviv

Drohne der jemenitischen Ansarollah trifft israelische Stadt. IGH erklärt Besetzung palästinensischer Gebiete für völkerrechtswidrig
Von Wiebke Diehl
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Durch den Drohneneinschlag in Tel Aviv kam ein Mensch ums Leben, neben Verletzten gab es auch zahlreiche zerbrochene Fensterscheiben (19.7.2024)

Einen Toten und mindestens acht Verletzte hat am frühen Freitag morgen eine im Zentrum Tel Avivs eingeschlagene Drohne der jemenitischen Ansarollah (»Huthis«) gefordert. Das mit Sprengstoff beladene unbemannte Fluggerät traf ein Wohnhaus nahe einer Niederlassung der unter Expräsident Donald Trump nach Jerusalem verlegten US-Botschaft. In deren Umgebung sind wegen des gegenseitigen Beschusses zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah aus Nordisrael evakuierte Menschen untergebracht.

Die aus dem Jemen kommende Langstreckendrohne wurde nach offiziellen israelischen Angaben zwar von der Luftraumüberwachung erfasst, aufgrund eines »menschlichen Irrtums« aber nicht abgeschossen, Sirenen wurden ebenfalls nicht ausgelöst. Die Luftwaffe teilte mit, Kampfjets würden ihre Patrouillen über Tel Aviv verstärken. Die Ansarollah haben in den vergangenen Monaten über ihre Angriffe auf mit Israel in Verbindung stehende Schiffe im Roten Meer, im Golf von Aden, im Indischen Ozean und im Mittelmeer hinaus mehrfach israelisches Staatsgebiet beschossen. Ziel war insbesondere der Hafen von Eilat, der vor wenigen Tagen Insolvenz angemeldet hat. In den meisten Fällen wurden die entsprechenden Flugkörper aber abgewehrt. Der Einschlag einer Drohne mitten im Herzen von Tel Aviv stellt indes ein absolutes Novum dar. Auch im Roten Meer stationierte US-Kriegsschiffe konnten sie offenbar nicht abfangen.

Jahja Sari, Sprecher der jemenitischen Streitkräfte, die den Ansarollah nahestehen, gab am Freitag bekannt, es habe sich um eine neue Drohne namens »Jaffa« gehandelt. Diese sei dank moderner Stör- und Infiltrationssysteme in der Lage, Abfangsysteme zu umgehen, und könne nicht per Radar erfasst werden. Er erklärte Tel Aviv außerdem zu einer »unsicheren Zone« und zu einem »Hauptziel in Reichweite unserer Waffen«. Man habe »eine Reihe von Zielen im besetzten Palästina« im Visier, die man in Reaktion auf »die Massaker des Feindes und die täglichen Verbrechen gegen unsere Brüder im Gazastreifen« weiter angreifen werde. Entgegen den Behauptungen des israelischen Militärsprechers Daniel Hagari, bei dem in Tel Aviv eingeschlagenen Flugkörper handele es sich um eine iranische »Samad-3«, erklärte eine jemenitische Quelle gegenüber dem libanesischen Fernsehsender Al-Majadin, die Drohne sei nach dem 7. Oktober in lokaler Produktion hergestellt worden. Man verfüge über einen »sehr großen Vorrat« an Drohnen dieses Typs, der mehr als 2.000 Kilometer weit fliegen könne.

Ebenfalls am Freitag legte der Internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag ein im Dezember 2022 von der UN-Generalversammlung angefordertes, nicht bindendes, aber mit hoher moralischer Autorität ausgestattetes Gutachten vor: Darin wird die israelische Besatzungspolitik in den besetzten palästinensischen Gebieten inklusive Ostjerusalem als völkerrechtswidrig eingestuft und die Rückkehr vertriebener Palästinenser sowie Reparationen gefordert. Israels Politik der Landnahme und die Ansiedlung der eigenen Bevölkerung verstoße unter anderem gegen Artikel 49 der Genfer Konvention, Israel mache sich faktisch der Annexion schuldig. Auch die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen in den besetzten Gebieten durch Israel sei nicht mit internationalem Recht vereinbar.

49 UN-Mitgliedstaaten sowie drei internationale Organisationen hatten im Februar entsprechende Stellungnahmen vorgelegt. Israel nahm an den Anhörungen nicht teil. Die USA, Großbritannien und Kanada forderten das Gericht auf, das Gutachten zu verweigern. Der UN-Sicherheitsrat hatte im Jahr 2016 die Völkerrechtswidrigkeit von Israels Besatzungs- und Siedlungspolitik bekräftigt. Dennoch verabschiedete die israelische Knesset in der Nacht zu Donnerstag mit großer Mehrheit eine Resolution, in der die Gründung eines palästinensischen Staates »strikt« abgelehnt wird.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Stephan K. aus Neumarkt i.d.OPf. (19. Juli 2024 um 20:54 Uhr)
    Es sollte uns allen klar sein angesichts der Angriffe gegen Israel in den vergangenen Monaten von alles andere als großen Hightechnationen: Es gibt gegen moderne Waffen, sogar solche der eher primitiven Art, keinen perfekten Schutzschirm. Sowohl Staaten als auch die moderne Kriegsguerilla kämpfen mit Drohnen. Damit kann David Goliath treffen. Empfindlich treffen. By the way, irgendwie erinnern diese in aller Welt verbreiteten Drohnen an den Strick, den der Kapitalist aus Profigründen verkauft, ahnend, dass er an selbigem möglicherweise eines Tages aufgeknüpft wird. Israels »Iron Dome« gilt als das Modernste … und schützt ein flächenmäßig kleines Land. Besser: Dieser Schutz ist eine Illusion. Wie jede Art von »Schutz« im Fall eines modernen Krieges. Was die hiesige Politik gerade heraufbeschwört, das hat eine ganz andere Dimension. Das scheint viel zu vielen Menschen leider noch nicht klar zu sein. Niemand wird von »Patriots« oder »Eisernen Domen« dauerhaft geschützt werden. Weder hier noch in der Ukraine. Auch nicht in Russland oder den USA.

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