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Aus: Ausgabe vom 20.07.2024, Seite 4 / Inland
Staat und Kirche

Ampel will Kirchen Geldhahn abdrehen

SPD, FDP und Grüne versprechen Gesetzentwurf noch vor Bundestagswahl. Mehrere Länder dagegen
Von Marc Bebenroth
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Akzeptiert auch Kartenzahlung: Der erste digitale Klingelbeutel in der Berliner Parochialkirche (4.7.2018)

Bis zur wirklichen Trennung von Staat und Kirche scheint der Weg noch weit. Aus der Ampelkoalition von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP ist am Freitag erneut die Forderung nach Abschaffung der Staatsleistungen an die beiden großen christlichen Vereinigungen laut geworden. Die mehr als 600 Millionen Euro, die jährlich in die Kassen der katholischen und evangelischen Kirche in Deutschland fließen, könnten »angesichts der Kirchenaustritte« auf lange Sicht »immer weniger gerechtfertigt werden«, zitierte die Nachrichtenagentur epd am Freitag Lars Castellucci, Beauftragter der SPD-Bundestagsfraktion für Kirchen und Religionsgemeinschaften.

Mittelfristig sei die baldige Ablösung für die Bundesländer mit geringeren Ausgaben verbunden als die Fortsetzung der Staatsleistungen, sagte die religionspolitische Sprecherin der FDP, Sandra Bubendorfer-Licht, laut epd. Einwände, wonach durch die geplante Einstellung der jährlichen Zahlungen den Kirchen Gelder für soziale oder karitative Aufgaben fehlen würden, verwarf die FDP-Politikerin als bloße »Nebelkerzen«. Die eingesparten Mittel wären dann übrigens auch frei, um sie sozialen Einrichtungen zu geben, wo Arbeiterinnen und Arbeiter dem größeren Schutz des staatlichen Arbeitsrechts sowie einer Tarifbindung unterliegen.

Im Koalitionsvertrag der drei Parteien vom März 2022 heißt es, Kirchen und Religionsgemeinschaften seien »ein wichtiger Teil unseres Gemeinwesens und leisten einen wertvollen Beitrag für das Zusammenleben und die Wertevermittlung in der Gesellschaft«. Das Papier der selbsterklärten »Fortschrittskoalition« verspricht, »im Dialog mit den Ländern und den Kirchen« einen »fairen Rahmen« für die Ablösung der Staatsleistungen zu schaffen. Dieser Rahmen soll auf den Namen »Grundsätzegesetz« getauft werden. Dessen Geburt gestaltet sich offenbar schwierig.

Für die hessische Staatskanzlei, wo derzeit der Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz der 16 Länder liegt, wurde eine Anfrage der epd mit den Worten »kein vordringliches Thema« beantwortet. Zuvor hatte Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident der katholischen Hochburg Nordrhein-Westfalen, gesagt, er sehe keine Veranlassung, die Rechtsgrundlage für die Staatsgelder an die beiden (Staats-)Kirchen grundsätzlich zu verändern. 2023 hatten Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg die Abschaffung der Millionenzahlungen abgelehnt.

Dennoch kündigen die Ampelparteien an, noch vor der nächsten Bundestagswahl ein »Grundsätzegesetz« zu verabschieden. Der Fraktionsvize der Grünen, Konstantin von Notz, sagte laut epd, der Entwurf dafür solle »zeitnah« vorgelegt werden. Die drei Fraktionen hatten bereits im Mai 2020 einen solchen Gesetzentwurf dem Bundestag vorgelegt.

Sollte das angekündigte Gesetz in Kraft treten, würde mehr als 75 Jahre nach Verabschiedung des Grundgesetzes der BRD eine Bestimmung in Artikel 140 umgesetzt, die aus der Verfassung der Weimarer Republik übernommen worden war. Schon damals sollten die als Entschädigung für vorangegangene Enteignungen der Kirchen – durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 – gedachten jährlichen Zahlungen durch finale Leistungen des Staates abgelöst werden.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (20. Juli 2024 um 00:03 Uhr)
    Einen wertvollen Beitrag für die Wertevermittlung in der Gesellschaft muss man sich schon was kosten lassen. Kriegspfarrer gibt es nicht zum Nulltarif. Es könnte ja sein, dass Geldentzug sie aufmüpfig macht, da muss eine vorsichtige Sparstrategie gefahren werden.

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