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Aus: Ausgabe vom 20.07.2024, Seite 5 / Inland
Standortnachteil

Krise frisst Jobs

BRD-Autobranche investiert in Maschinen. Jobs werden ausgelagert oder vernichtet. IG Metall will sieben Prozent mehr Geld
Von Klaus Fischer
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Schwerverkäufliche Ware: Montage eines VW-E-Autos ID.3 in Dresden

Die Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie verspricht 2024 interessant zu werden. Vergangene Woche legte die IG Metall in Essen vor: Sieben Prozent mehr Geld und 170 Euro monatlich mehr für Auszubildende fordert die größte Industriegewerkschaft für die Beschäftigten. Das klingt gut, ist angesichts der Geldentwertung aber eher bescheiden. Auch die IG Metall weiß, dass die Krise der BRD-Wirtschaft weiter schwelt. Das betrifft die Automobilindustrie ebenfalls.

In der einstigen Vorzeigebranche werden Jobs vernichtet oder ins Ausland verlagert. Die Umsatzzahlen sind nicht berauschend. Die lange Zeit als Nummer eins der Welt notierte Volkswagen AG hat den Spitzenplatz längst wieder an Toyota verloren. Und Elektro­autos stehen seit dem Auslaufen der staatlichen Kaufprämien zunehmend auf Halde. Dabei stecken viele der Konzerne gerade in einer kostspieligen Umstrukturierung hin zum Bau von E-Fahrzeugen.

2023 waren es zunächst die Zulieferer, die mit Abbauplänen schockierten: Bosch minus 1.500 Stellen, ZF Friedrichshafen ein ganzes Werk. Inzwischen stehen die Zeichen in der gesamten Branche auf Sturm, wie eine Umfrage zeigt, die am Donnerstag bekannt wurde. Demnach will mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen in Deutschland Jobs streichen, wie aus der Erhebung der Unternehmensberatung Horváth hervorgeht. Als Gründe werden vor allem der hohe Kostendruck und neue Konkurrenz vor allem aus China angeführt, wie die Nachrichtenagentur dpa am Donnerstag berichtete. Demnach gaben 59 Prozent der befragten Unternehmen an, dass sie in den kommenden fünf Jahren mit einer Reduzierung der Mitarbeiterzahl rechnen.

Den Begriff Kostendruck könnte man auch verschlechterte Rahmenbedingungen für die Branche nennen. Die gewollte Orientierung auf Elektroantriebe wurde nicht nur vom Geldmangel des Staates gebremst. Die eher politisch statt technologisch begründeten Ausstiegsszenarien aus dem Verbrennungsantrieb und die seit 2022 als desolat geltende Elektroenergieversorgung setzen der gesamten Industrie ebenfalls zu.

Das Resultat: »Neue Werke entstehen in Deutschland eher selten«, zitiert dpa den Horváth-Experten Frank Göller. »Wenn neue Werke entstehen, dann in der Regel außerhalb Deutschlands. Und dort findet dann auch der Beschäftigungsaufbau statt.« Im Ergebnis werde fast überall auf der Welt Personal aufgebaut – nur nicht in Deutschland und Westeuropa. Dennoch fließe weiter ein großer Teil der Investitionen nach Deutschland, so Göller weiter. Doch das Geld gehe von allem in neue Produkte und Technologien sowie die Umrüstung bestehender Standorte auf Elektroantriebe. »In der Produktion wird in hohem Maß in die Automatisierung der Fertigungsanlagen und Digitalisierung investiert.« Entsprechend schlecht falle die Beschäftigungsbilanz aus.

Damit wird der Tarifkampf 2024 kein Spaziergang für die IG Metall. Zunehmende Arbeitsplatzvernichtung bzw. der Austausch von Menschen durch Maschinen sind vor allem eine Reaktion des Kapitals auf die verschlechterten Konkurrenzbedingungen am Standort. Und sie sind ein Druckmittel. So gesehen ist die Gewerkschaftsforderung tatsächlich eher defensiv – auch wenn die tarifgebundenen Jobs in der Autobranche zu den bestbezahlten bei abhängig Beschäftigen zählen.

»Unsere Forderung wird der Lage von Beschäftigten und Unternehmen gerecht und ist dringend geboten«, begründete die Erste Vorsitzende Christiane Benner laut igmetall.de die Position der Gewerkschaft. Die Inflationsrate mag sinken, aber dennoch bleiben für die Menschen die Preise an der Kasse weiter hoch. Die Steigerungen und Einmalzahlungen des letzten Tarifabschlusses sind verbraucht. Jetzt haben die Beschäftigten mit sieben Prozent mehr Geld einen verlässlichen Dauerausgleich verdient. »Insbesondere Auszubildende leiden unter den gestiegenen Lebenshaltungskosten«, so Benner. Deshalb müssen deren Vergütungen überproportional steigen.

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