75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Sa. / So., 07. / 8. September 2024, Nr. 209
Die junge Welt wird von 2927 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Aus: Ausgabe vom 20.07.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Südkoreas Nuklearindustrie

Korrupte Kraftwerksbranche

Südkorea erhält Zuschlag für Tschechiens neue Atomreaktoren. Bestechung und fehlende Sicherheitszertifikate in Vergangenheit spielen keine Rolle
Von Martin Weiser, Seongnam
9.jpg
KKW und Kapelle: Friedliche Koexistenz auf freiem Feld im tschechischen Südmähren

Tschechiens neue Atomkraftwerke werden wahrscheinlich alle von Südkorea gebaut. Im Ausschreibungsverfahren für zwei weitere Reaktoren im AKW Dukovany konnte sich Korea Hydro & Nuclear Power (KHNP) gegen den französischen Konzern EDF durchsetzen. Die Verhandlungen über Details sollen sich noch bis März hinziehen, parallel wird mit dem südkoreanischen Staatskonzern bereits über zwei zusätzliche Reaktoren am Standort Temelín verhandelt. Knapp 16 Milliarden Euro sind für die ersten beiden veranschlagt, Strom soll ab 2036 fließen. Tschechien will so den Anteil an Kernenergie von derzeit einem Drittel bis 2040 auf die Hälfte erhöhen.

Laut dem tschechischen Ministerpräsidenten Petr Fiala war das südkoreanische Angebot in praktisch allen Punkten besser. Neben einem unschlagbaren Preis habe Südkorea auch in Fragen der Zuverlässigkeit gepunktet. 2009 hatte KHNP bereits den Auftrag für vier Kraftwerke in den Vereinigten Arabischen Emiraten erhalten, und nur zwölf Jahre später ging das erste ans Netz, das vierte folgt dieses Jahr. Bereits damals setzte sich Südkorea gegen die französische Konkurrenz durch, wiederum mit einem unschlagbar günstigen Preis. EDF ist hingegen regelmäßig mit Verzögerungen und Kostenexplosionen in den Nachrichten.

Dass Südkorea nur einen Mitbewerber hatte, machte es mit Sicherheit einfacher zu glänzen. Chinesische und russische Firmen waren bereits 2021 mit Verweis auf Sicherheitsrisiken ausgeschlossen worden. Nicht wegen Sicherheitsrisiken der Kraftwerke, sondern aus Angst vor Einflussnahme und Erpressung, sobald die Reaktoren stehen. Der Chef von KHNP betont entsprechend: So ein AKW-Projekt bedeutet Kooperation für 100 Jahre vom Bau bis zum Ende des Betriebs. Vor dem Hintergrund der US- und EU-Politik gegenüber Russland und China wollte Tschechien sich lieber nicht so lange binden.

Ob das Vertrauen gegenüber KHNP berechtigt ist, wird sich zeigen. 2012 wurde bekannt, dass der Konzern sich über Jahre von Zulieferern schmieren ließ und Tausende Teile mit gefälschten Sicherheitszertifikaten verbaute. Sogar der Chef des Unternehmens hatte sich 100.000 Euro dazu verdient. Infolgedessen wurde fast ein Viertel der südkoreanischen Atomkraftwerke vom Netz genommen und brachte Südkoreas Stromversorgung an den Rand eines Kollapses. Einige dieser problematischen Teile fanden sogar ihren Weg in die Reaktoren in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Mit einer südkoreanischen Spezialeinheit zur Soldatenausbildung vor Ort und großen Waffenexporten ins Land blieben die diplomatischen Konsequenzen dann aber gering. Südkoreas Nuklearindustrie brüstet sich unterdessen weiterhin damit, durch die Erstellung eines immer wieder kopierbaren Designs von Kernkraftwerken die Kosten zu reduzieren.

Sollte Südkorea den Zuschlag für die nächsten zwei Reaktoren in Tschechien bekommen, könnte ein Wahlversprechen des südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk Yeol am Ende wahr werden. Der wünscht sich, dass sein Land bis 2030 mindestens zehn Reaktoren ins Ausland verkauft, und hat dafür auch die heimische Abkehr seines liberalen Vorgängers von der Nuklearenergie wieder rückgängig gemacht. Derzeit liefern 26 Reaktoren etwa 30 Prozent des Stroms, zwei weitere sind in Bau und zwei weitere noch in Planung.

Dementsprechend sind Verlautbarungen der konservativen Regierung in Seoul zu bewerten. So gab Industrieminister Ahn Duk Geun diese Woche im Interview mit Yonhap News die absurde Logik preis, wie man den Sieg in der Ausschreibung für den eigenen Kurs einspannt: Kein Land wolle ein Produkt kaufen, das vom Hersteller nicht selbst verwendet werde. Südkoreas eigene Reaktoren aber wären selbst unter der Vorgängerregierung noch auf Jahrzehnte im Betrieb gewesen. Und das Modell, das nun in Tschechien gebaut werden soll, wurde speziell für den europäischen Markt entwickelt.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

  • Nordkoreanischer Raketentest live im südkoreanischen TV (Seoul, ...
    01.10.2021

    Bereit für Faxverbindung

    Nordkorea fordert »gegenseitigen Respekt« für Gespräche mit Südkorea
  • »Das Kalkül ist infam«: Die Außen- und Verteidigungsminister Süd...
    20.03.2021

    USA provozieren Nordkorea

    Als erster US-Präsident bricht Biden mit Vereinbarungen, die Clinton 1994 unterschrieb und an die sich auch Bush, Obama und Trump hielten

Mehr aus: Kapital & Arbeit