Polnischer Formfehler
Von Reinhard LauterbachDie polnische Justiz hat sich bei der Aufarbeitung der Aktivitäten der im Oktober abgewählten PiS-Regierung einen folgenschweren Formfehler geleistet: Nachdem das Parlament am Freitag mit der Mehrheit der Regierungskoalition die Aufhebung der Immunität als polnischer Abgeordneter des früheren Justizstaatssekretärs Marcin Romanowski beschlossen hatte, wurde der Politiker am Montag vor laufenden Kameras festgenommen und in Handschellen aus seiner Wohnung abgeführt. 30 Stunden später hob ein Warschauer Gericht den Untersuchungshaftbefehl wieder auf und ließ den Politiker frei.
Der Sinneswandel kam nach einer Intervention des Vorsitzenden der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PVER). Dieser hatte darauf hingewiesen, dass Mitgliedern wie Romanowski Immunität zustehe, die zuerst ebenfalls hätte aufgehoben werden müssen. Nicht alle Juristen teilen diese Auffassung. Zwei vom polnischen Justizministerium in Auftrag gegebene Gutachten hatten die Frage verneint. Zumal die Vorwürfe gegen Romanowski seine Amtszeit in der polnischen Regierung betreffen, als er noch nicht Mitglied der PVER war.
Romanowski erklärte nach seiner Freilassung, es zeige sich, dass sich die Staatsanwaltschaft die gegen ihn erhobenen Vorwürfe aus den Fingern gesogen habe. Genau das besagt die Freilassung aber mitnichten. Romanowski soll als rechte Hand des früheren Justizministers Zbigniew Ziobro dafür verantwortlich gewesen sein, dass hohe Geldbeträge aus einem von diesem Ministerium verwalteten Fonds zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern an obskure katholische Stiftungen geflossen und für Wahlkampfgadgets in Wahlkreise von Politikern der Ziobro-Partei Souveränes Polen (SP) gegangen sind. Die PiS-Führung hatte dabei ein klares Unrechtsbewusstsein. Bei einer Durchsuchung in Romanowskis Wohnung war ein Brief von PiS-Chef Jarosław Kaczyński aus dem Jahr 2019 gefunden worden, in dem dieser Ziobro davor warnte, Geld aus dem Fonds zur illegalen Parteienfinanzierung zu nutzen.
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