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Aus: Ausgabe vom 23.07.2024, Seite 5 / Inland
Massentourismus

Auf Besucher ausgerichtet

Auch in deutschen Urlaubsregionen wird Wohnraum knapp. Gesetz zur Regulierung von Ferienwohnungen ungenutzt
Von Gudrun Giese
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Familien willkommen, aber nur im Urlaub. Das ist lukrativer: Ferienhaus auf Hiddensee

Die Widersprüche zwischen Massentourismus und den Bedürfnissen der Einheimischen nehmen nicht nur auf den Balearen oder in anderen Reisehotspots in Südeuropa zu. Auch attraktive Urlaubsziele hierzulande sind davon betroffen. Wie die Situation mittlerweile an der Ostsee ist, darauf machte die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) am Wochenende aufmerksam. In vielen Orten an der Ostsee sei Wohnraum für Arbeitskräfte kaum noch bezahlbar, sagte Jörg Dahms, NGG-Geschäftsführer in Mecklenburg-Vorpommern, laut dpa am Sonntag. Auf den Inseln Usedom und Rügen, der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst und in Rostock fehle es an Wohnraum, den sich Menschen mit geringen Einkommen leisten könnten. Gerade im Tourismussektor erhielten viele Beschäftigte nur Mindestlohn, womit das Budget für die Miete begrenzt sei. Dahms forderte höhere Löhne für die rund 56.000 Menschen, die im Tourismus des nordöstlichen Bundeslandes arbeiten. Außerdem müssten auch für die Menschen vor Ort Wohnungen geplant werden. Tobias Woitendorf vom Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern kritisiert ebenfalls den Mangel an bezahlbaren Wohnungen, sieht aber vor allem die Kommunen in der Pflicht, für ein besseres Angebot zu sorgen. Ferienwohnungen gebe es genug, meint er.

Geld für den Bau bezahlbarer Wohnungen stünde zur Verfügung. Nach Auskunft des Landesbauministeriums gebe es in diesem Jahr 114 Millionen Euro aus Bundes- und Landesmitteln für den sozialen Wohnungsbau im Nordosten, rund 36 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Seit 2020 existiert zudem eine Richtlinie der Landesregierung, die Schaffung von Mitarbeiterwohnungen in Gemeinden mit Tourismusschwerpunkt zu fördern. Die dafür bereitgestellten fünf Millionen Euro waren bereits Ende 2023 weitgehend gebunden. Eine weitere Lösung könne in der Bereitstellung von Werkswohnungen bestehen, findet Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen, die zunächst vor allem an weiteren Bauaufträgen interessiert sein dürften. Da die öffentliche Hand den Tourismus fördere, sollten im Gegenzug die Tourismusunternehmen ihrer sozialen Verantwortung für die Beschäftigten gerecht werden, indem sie bezahlbaren Wohnraum bereitstellten, so Breitner. Er verwies auf die lange Tradition von Werkswohnungen, die trotz günstiger Mieten rentabel sein könnten. Eine standardisierte Modulbauweise senke etwa die Kosten.

Mit immer mehr Ferienwohnungen müssen sich auch viele kleine Gemeinden im Mittelrheintal herumplagen. Zwar setzen die Kommunen auf den Tourismus, der Geld in die Kassen spült. Doch gleichzeitig drohe die Verödung der Orte, wenn kaum noch Alltagsleben stattfindet, berichtete am Sonnabend der SWR. Als ein besonders plakatives Beispiel wurde die Stadt Bacharach nahe dem berühmten Loreley-Felsen erwähnt, in der immer mehr Ferienwohnungen entstanden sind, was auch hier den regulären Wohnungsmarkt stark belastet. Mit dem Wegzug von ständig dort lebenden Menschen gerieten die örtlichen Dienstleister wie Metzger, Bäcker, Friseure und Ärzte unter Druck, sagte der Erste Beigeordnete der Stadt, Rainald Kauer (CDU), laut SWR. Ohne genügend Einheimische würde die Stadt ausbluten, was verhindert werden müsse.

Einen doppelten Nachteil erfahren die Kommunen im Fall der illegalen Vermietung von Wohnraum als Feriendomizil, weil der nicht nur dem regulären Mietmarkt entzogen wird, sondern nicht einmal Steuern oder Abgaben dafür entrichtet werden. Auch dieses Problem nehme zu – nicht nur in Kleinstädten wie Bacharach, sondern auch in Mainz und Trier. Zwar existiert seit vier Jahren ein Landesgesetz, das den Kommunen Eingriffsrechte gewährt, Ferienwohnungen zu verhindern und Wohnraum zu schaffen. Doch finde es in der Praxis kaum Anwendung, kritisierte der Mieterbund. Helfen könne möglicherweise eine verbindliche Satzung in den Kommunen, sagte Franz Obst, der Landesvorsitzende des Mieterbundes in Rheinland-Pfalz. Doch auch solche Regelungen könnten missachtet werden, wie einige Beispiele belegten, setzte dem Moritz Petry, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Rheinland-Pfalz, entgegen. Er forderte eine regelmäßige Überwachung der Buchungsportale durch die Kommunen, so dass sie illegale Angebote schneller aufspüren und untersagen könnten.

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