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Aus: Ausgabe vom 23.07.2024, Seite 8 / Ansichten

Verzweifelte Demokraten

Biden gibt Kandidatur auf
Von Ingar Solty
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Die Kamala-Harris-Fanshirts sind schon ausgepackt (Washington, D. C., 21.7.2024)

Joseph Biden verzichtet nun doch auf eine erneute Kandidatur für das Amt des US-Präsidenten. Die Auswechslung in letzter Minute ist verheerend, aber aus der Perspektive der Demokraten war sie nach der desaströsen Fernsehdebatte mit Trump nötig. Das Establishment hatte gegen den Herausforderer keinen Trumpf mehr in der Hand.

Biden hat sich nun für seine Vizepräsidentin Kamala Harris ausgesprochen. Die Partei gibt sich geeint: Von der Parteirechten bis zur Linken um Alexandria Ocasio-Cortez trudeln die Unterstützungsbekenntnisse ein. Aber ist Harris eine starke Kandidatin? In vier Jahren hat sie kaum Spuren hinterlassen. Schon bei den Vorwahlen 2019/2020 war sie selbst an der Parteibasis unbeliebt und schied sang- und klanglos aus. Sie versucht, die identitätspolitische Haltung des Parteizentrums anzusprechen, wo man glaubt, der demographische Wandel des Einwanderungslands werde den Demokraten dauerhaft strukturelle Mehrheiten bescheren.

2020 war der Jubel groß: die erste nichtweiße Vizepräsidentin. Dabei entstammt Harris einem hochprivilegierten indischstämmigen Elternhaus. Mit den nichtweißen Arbeiterkids hat sie nichts gemein. Das zeigt auch ihre Biographie: Als Generalstaatsanwältin zeigte sie sich öffentlich stolz auf das kalifornische Gefängnissystem, das zumeist schwarze Arbeiterkinder für geringfügige Marihuanavergehen einbuchtet und als billige Sklaven nutzt. »Das Problem der neoliberalen Linken ist«, urteilte einst die Kommentatorin Krystal Ball mit Blick auf Harris, »dass die Diversität dort häufig als symbolischer Ersatz für echte Fortschritte dient.«

Wirklichen Wandel verkörperte damals ein anderer, der darum auch die besten Chancen aufwies, Trump zu besiegen: Bernie Sanders. Ohne das Geld der Milliardäre bestritt er seinen Wahlkampf. Heute jubelt das Establishment, wie viele Kleinstspenden auch Harris in wenigen Stunden nach ihrer Krönung einsammelte. Aber zum Wahlkampfbeginn 2019 hatte sie sogar mehr Milliardäre hinter sich versammelt als Biden.

Nun ist Trump zweifellos schlagbar. In 34 Fällen wegen Wirtschaftskriminalität und sexualisierter Gewalt strafrechtlich verurteilt, drohen ihm mehrere Jahre Haft. Sein »Running Mate« J. D. Vance ist ein extremer Rechter. In der stark politisierten Abtreibungsfrage spricht er sich für ein nationales Verbot aus. Das evangelikal-marktradikale »Project 2025«, ein Plan zur Stärkung der Exekutivgewalt, gibt an, wohin die Reise gehen soll.

Erste Umfragen zeigen derweil keine Trendwende: Bundesweit führt Trump gegen Harris mit drei bis vier Prozentpunkten. In den entscheidenden »Swing States« wie Florida, Georgia, Nevada, Arizona und Pennsylvania liegt er weit vorne. Der notorische Lügner könnte also wieder Präsident werden. Das Attentat auf ihn könnte ein Katalysator gewesen sein, der ihm die Machtzentralisierung und die politische Verfolgung von Linken erleichtert.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich Kral aus Potsdam (23. Juli 2024 um 07:45 Uhr)
    Ziemlich egal, wer im Oval Office das Sagen haben wird. An der grundsätzlich, aggressiven Politik nach Innen und nach Außen, wird sich wenig ändern. Dem großspurig vom Ego-Shooter Trump angekündigten »Deal« in Sachen Ukraine muss man mit äußerster Vorsicht begegnen. Auf den Thron im Weißen Haus wird nur gehievt, wer die geopolitischen Interessen des US-Establishments rigoros vertritt. Und eine Beendigung des Ukraine-Konflikts hängt bei weitem nicht von Trump ab, solange die Interessen Russlands nicht gewahrt werden.

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