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Aus: Ausgabe vom 24.07.2024, Seite 4 / Inland
Schutzschild für Verfassungsgericht

Einigung auf Grundgesetzänderung

Justizminister, Ampel- und Unionsfraktion legen Plan für Novelle zum Verfassungsgericht vor
Von Marc Bebenroth
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V. l. n. r.: Andrea Lindholz (CSU), Marco Buschmann (FDP), Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) und Stephan Thomae (FDP) in der Bundespressekonferenz (Berlin, 23.7.2024)

Ampel und Union preisen einen möglichen Wahlsieg der AfD ein. Am Dienstag hat in Berlin Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) mit Vertreterinnen und Vertretern der vier Bundestagsfraktionen einen Plan vorgelegt, wie das Bundesverfassungsgericht vor dem Zugriff künftiger Regierungen oder Oppositionen geschützt werden könne. So soll grundgesetzlich geregelt werden, wie das höchste deutsche Gericht aufgestellt ist und wie die Richterposten besetzt werden. Dies steht bisher in einem Bundesgesetz und kann mit einfacher Mehrheit geändert werden, Verfassungsartikel dagegen nur mit Zweidrittelmehrheit.

Es seien die Erfahrungen aus Polen, Ungarn sowie der »Justizreformdebatte in Israel«, welche die abseits der Öffentlichkeit tagende Arbeitsgruppe im Blick gehabt habe, erklärte Buschmann vor Journalisten. Deshalb wolle man »wesentliche Strukturprinzipien« auf die Ebene der Verfassung ziehen. Dazu gehöre der Status des Gerichts als Verfassungsorgan, die auf zwölf Jahre begrenzte Amtszeit der Richterinnen und Richter sowie die Altersbegrenzung für diese auf 68 Jahre.

Ziel sei es, »den Rechtsstaat noch besser gegen Verfassungsfeinde« abzusichern, wie Johannes Fechner (SPD) erklärte. So wie osteuropäische Regierungen dortige höchste Gericht lahmlegten, solle es in der BRD nicht möglich sein. So soll künftig im Grundgesetz stehen, dass es nur zwei Senate in Karlsruhe gibt, jeweils mit acht Richterposten. Die Wiederwahl soll ausgeschlossen bleiben, ergänzte der Justiziar der Unionsfraktion, Ansgar Hevelin (CDU). Scheidende Amtsinhaber sollen erst dann wirklich gehen, wenn die Nachfolge geklärt ist.

Es seien oft »triviale Instrumente, mit denen höchste Gerichte plattgemacht werden können, zum Beispiel die Geschäftsordnung«, sagte Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen) und verwies auf die vorherige polnische Regierung. Diese habe festgelegt, dass Fälle nach Eingangsdatum bearbeitet werden müssen. In der Folge habe die PiS-Partei das höchste polnische Gericht mit Fällen geflutet, um zu verhindern, dass »kritische« neue Gesetze nicht mehr überprüft werden konnten.

Für die Wahl von Verfassungsrichterinnen und -richtern habe die Arbeitsgruppe von Notz zufolge einen »sehr guten Mechanismus« gefunden. Sollte der Bundestag durch eine »destruktive« Minderheit, also eine Oppositionskraft mit mindestens 25 Prozent der Sitze, blockiert sein, solle der Bundesrat als alleiniges Wahlorgan einspringen. Normalerweise werden die Richterposten zur Hälfte von der Länderkammer und zur Hälfte vom Bundestag jeweils mit zwei Dritteln der Stimmen besetzt. Mit der vorgelegten Variante soll verhindert werden, dass eine Minderheit »versuchen kann, die Legitimität dieses Verfassungsorgans zu zerstören«, sagte von Notz.

Zuletzt waren es Bedenken wegen einer solchen Sperrminorität, mit denen die CDU ihre Beteiligung an dem Vorhaben verweigert hatte. Parteichef Friedrich Merz hatte eine Zusage zur Mitarbeit im Februar wieder zurückgezogen, da er doch keine akuten Angriffe auf das Bundesverfassungsgericht gesehen habe. Dazu gefragt, sagte Andrea Lindholz (CSU) am Dienstag den Journalisten, dass zum Jahresbeginn die Debatte »hektisch« verlaufen sei. Nun aber sei auch die Union »geschlossen an dieser Stelle«.

So auffällig wie die Abwesenheit der AfD in den Äußerungen der Arbeitsgruppe war übrigens auch das Fehlen der formal auch Verfassungsministerin Nancy Faeser (SPD). Aber vielleicht geht diese davon aus, dass der ihr unterstellte »Verfassungsschutz« das Erstarken von »destruktiven Minderheiten« schon verhindern werde.

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