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Aus: Ausgabe vom 24.07.2024, Seite 5 / Inland
Wohngeld und Freizeit

Freibad oder nicht

Berlin: Bearbeitung von Wohngeldanträgen dauert weiterhin zu lang. Mit Folgen für die soziale Teilhabe
Von Susanne Knütter
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Ohne Wohngeldbescheid für viele zu teuer: Ein Besuch im Freibad

Der Unmut zu Beginn der Urlaubszeit war groß. Bis zu acht Wochen Wartezeit für Reisepässe meldeten die Agenturen am 7. Juli. Sogar der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes schaltete sich ein: Normalerweise dauere es zwei Wochen, bis Reisepässe geliefert werden. Nun sorgten Probleme bei der Bundesdruckerei für erhebliche Verzögerungen, beklagte Helmut Dedy gegenüber den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Und die »berechtigte Kritik der Antragsteller« bekämen die städtischen Angestellten ab.

Jedes fünfte Kind in Deutschland ist arm. Für deren Familien stellt sich die Frage nach einer Urlaubsreise – nicht mal für eine Woche im Jahr – nicht. Schon gar nicht in ein Land, für das man einen Pass benötigt. Für sie wäre ein Ausflug ins Schwimmbad schon ganz nett. Mit entsprechenden Bescheiden könnten sie zu ermäßigtem Preis ins Freibad. Aber auch das scheitert offenbar daran, dass die Ämter mit der Bearbeitung nicht hinterherkommen. Die mehr als 43.000 Haushalte in der Hauptstadt, die Wohngeld erhalten, »sind auf gültige Bescheide der Ämter angewiesen«, erklärte am Dienstag die Landesarmutskonferenz in Berlin. »Der Bearbeitungszeitraum auf den Ämtern ist unterschiedlich und liegt durchschnittlich bei den einzelnen Berliner Bezirken zwischen acht und 23 Wochen.«

In jedem Jahr müssen diese Bescheide, die eine Gültigkeit von einem Jahr haben, neu beantragt werden. Wohngeldbezieher erhalten in dieser Zeit noch nicht die ihnen zustehende Leistung. Das bedeutet, so die Armutskonferenz, dass Rentner und Geringverdiener nicht mit ihren Kindern und Enkelkindern Freizeitangebote wie Schwimmbad, Zoo, Britzer Garten oder Tierpark zum ermäßigten Preis wahrnehmen können. Im letzteren Fall macht das einen Unterschied von sieben Euro pro Erwachsenenticket. Auch für das vergünstigte S-Bahn-Ticket, mit dem man im Berliner Tarifbereich AB für neun Euro im Monat fahren darf, benötigt man mindestens einen Wohngeldbescheid.

Seit der Wohngeldreform 2023 haben bundesweit zwei Millionen Haushalte mit geringen Einkommen Anspruch auf diese Leistung. Noch Anfang dieses Jahres klagten die Kommunen über eine Verdopplung bis Verdreifachung der Antragszahlen seit der Reform. Die Wohngeldstellen kamen mit der Bearbeitung nicht hinterher. Nach dem Aufschrei war es zwar wieder ruhiger geworden. Aber besser steht es um die Abarbeitung der berechtigen Ansprüche offenbar noch lange nicht.

Die Landesarmutskonferenz fordert deshalb eine schnellere Bearbeitung der Anträge und eine vorläufige Verlängerung der Bescheide, bis die Folgeanträge bearbeitet werden konnten. Außerdem für alle Rentner »eine automatische rechtzeitige Neuberechnung, da die Rentenerhöhungen für alle prozentual gleich sind«. Der Personalmangel in der Verwaltung dürfe sich »nicht negativ auf die ärmsten Menschen der Gesellschaft auswirken«.

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