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Aus: Ausgabe vom 24.07.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
EU-Wirtschaftskrieg

Über die Kiewer Bande

Ukraine stoppt Transit von russischem Öl nach Ungarn und in die Slowakei. EU schweigt vielsagend
Von Reinhard Lauterbach
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»Druschba«: Arbeiter vor einer Karte zum Öltransport nach Ungarn und Polen, in die ČSSR und die DDR (Belorussland 1971)

Ungarn und der Slowakei droht im kommenden Winter eine Öl- und Stromkrise. Der Grund ist die jetzt in Kraft getretene Entscheidung der Ukraine, die Durchleitung von russischem Öl über den südlichen Zweig der zu sowjetischen Zeiten für die Versorgung der »Bruderländer« verlegten »Druschba«-Pipeline zu stoppen. Nach Angaben der Regierungen in Budapest und Bratislava fallen damit kurzfristig 33 Prozent des Bedarfs in Ungarn und 40 Prozent des Bedarfs der Slowakei aus. Die vorhandenen Vorräte sind auf den Verbrauch von drei Monaten ausgelegt und dürften damit zu Beginn der Heizsaison aufgebraucht sein.

Als unmittelbare Reaktion kündigten Ungarn und die Slowakei an, bei der EU-Kommission ein sogenanntes Konsultationsverfahren einzuleiten. Dessen Ziel ist, die EU-Kommission binnen dreier Tage zur Vorlage eines Lösungsvorschlags zu bewegen. Am Dienstag bestätigte die Kommission den Eingang eines »Beschwerdebriefs« der beiden Außenminister. Beide Regierungen behalten sich vor, ein internationales Schiedsgericht anzurufen. Die Slowakei drohte der Ukraine überdies mit dem Stopp der Lieferungen von Treibstoff aus ihrer Raffinerie in Bratislava, die etwa zehn Prozent des in der Ukraine verbrauchten Diesels ausmachen.

Der Import von russischem Öl über die »Druschba«-Leitung ist durch eine Ausnahmeregelung des EU-Sanktionsregimes bisher von den Liefersperren ausgenommen. Eventuelle Versuche Ungarns und der Slowakei, sich über das Ölterminal auf der kroatischen Adriainsel Krk Ersatzlieferungen zu verschaffen, würden aber unter das Sanktionsregime fallen, das russische Ölexporte über See verbietet und gerade erst im 14. Sanktionspaket weiter verschärft worden ist.

Das offizielle Ziel des von der Ukraine verhängten Transitverbots ist dasselbe wie das des EU-Sanktionssystems: Russlands Einnahmen aus dem Rohstoffexport zu verringern. Mit bisher mäßigem Erfolg: Im ersten Halbjahr dieses Jahres sind die russischen Öl- und Gaserlöse nach Angaben aus Moskau um 41 Prozent gestiegen und erlauben, wie die Süddeutsche Zeitung am Montag beklagte, Russland die »mühelose« Finanzierung des Krieges. Insofern ist es wohl kein Zufall, dass trotz der Ankündigung des ungarischen Außenministers Péter Szijjártó, das ukrainische Embargo beim Treffen der EU-Außenminister am Montag dieser Woche zur Sprache zu bringen, das offizielle Abschlussdokument kein Wort zu dem Thema enthält. Aber der zugeschaltete ukrainische Außenminister Dmitro Kuleba durfte seine EU-Kollegen wieder einmal ausführlich »informieren«.

Dass sich die EU von einem (nach wie vor) Nichtmitglied, das überdies finanziell und militärisch extrem von ihr abhängig ist, die Versorgungssicherheit in zweien ihrer Mitgliedsländer gefährden lässt, widerspricht allen Gesetzen der politischen Logik. Damit liegt der Schluss nahe, dass der EU der Kiewer Handstreich wohl durchaus in den Kram passt, um Ungarn und der mit ihrem südlichen Nachbarland insofern solidarischen Slowakei ihren unabhängigen und als »prorussisch« diffamierten Kurs in der Ukraine-Frage heimzuzahlen.

Theoretisch wäre eine gütliche Lösung des Konflikts möglich: Die ukrainischen Sanktionen betreffen formal bisher nur den russischen Lukoil-Konzern, der etwa die Hälfte der Kapazität von »Druschba« für seine Lieferungen nutzt. Theoretisch könnten also andere russische Konzerne in die Bresche springen und die Belieferung übernehmen. Allerdings bringt diese Option kaum Planungssicherheit für Ungarn und die Slowakei; denn niemand kann garantieren, dass nicht die Ukraine ihr Embargo auch auf diese Ersatzlieferanten ausdehnt.

Da aber die EU offenkundig unwillig ist, gegenüber Kiew ein Machtwort zu sprechen und sich solche Eingriffe in laufende, vom EU-Recht gedeckte Verträge mit zwei Mitgliedstaaten zu verbitten, muss man davon ausgehen, dass sie sich lieber von Wolodimir Selenskij am Nasenring durch die Arena führen lässt. Statt dessen maßt sich Brüssel lieber das Recht zur Piraterie an. Die Pläne für das nächste Sanktionspaket sehen vor, dass Kontrolleure auch in internationalen Gewässern – also außerhalb der EU-Jurisdiktion – Öltanker entern, ihre Ladung kontrollieren und Schiffe mit aus Russland stammenden Ölfrachten auf hoher See beschlagnahmen können sollen.

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  • Leserbrief von Raimon Brete aus Chemnitz (24. Juli 2024 um 13:50 Uhr)
    In Kiew sitzt ein gnadenloser Diktator. Der ukrainische Präsident war Schauspieler und ist jetzt ein politischer Pokerspieler, Hasardeur und unbarmherziger Machthaber, dem weder das Wohl seines Landes noch eine gesicherte friedfertige Zukunft Europas etwas bedeuten. Gnadenlos spielt er die Karten des Krieges, der Unterdrückung Andersdenkender, der Heuchelei, Lüge, Erpressung und Kompromisslosigkeit in jedweder Form. Ohne Skrupel nutzt er die faschistische Bandera-Asow-Karte und fördert sowie pflegt eine nationalistische Stimmung, um einen fanatischen Kulturkampf gegen alles Russische zu führen. Er oder seine diplomatischen und militärischen Gehilfen, für die Korruption kein Fremdwort ist, haben mit ihren Forderungen in nahezu unverschämter Weise die USA, die EU und NATO sowie deren Politiker öffentlich erpresst. Ein ukrainischer Botschafter beleidigt den Bundeskanzler ohne erkennbare Reaktion. Die Kiewer Bande weiß sich in ihrem Handeln in Übereinstimmung mit den politischen und militärischen Zielen der USA und ihren europäischen Helfershelfern. Nun knöpft er sich radikal die vor, die dem die menschliche Existenz infrage stellenden und selbstzerstörerischen Kurs des Westens etwas Vernünftiges entgegenstellen wollen. Unter dem Motto: »Bist du nicht willig, so brauche ich Gewalt!« wird die lebenssichernde Energiezufuhr für Ungarn und die Slowakei unterbunden. Die den Faschismus tolerierende ukrainische Regierung diktiert und kommandiert sowohl im Lande als auch in Europa. Das Außenministerium existiert faktisch nicht und der Kriegsminister hat das uneingeschränkte Sagen. Mit diesem nicht mehr legitimierten System steuert Europa auf sein Ende zu. Hunderte Milliarden an Steuergeldern, unendliche Kriegssysteme und personelle Unterstützung fließen weiter unter Beifall der Mehrheit der EU-Politikerinnen und Politiker gen Kiew und dieselben werben auf Wahlplakaten für Frieden. Nur tun sie nichts dafür – ganz im Gegenteil!
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (24. Juli 2024 um 09:24 Uhr)
    Was für eine Überschrift!!!
  • Leserbrief von Holger K. aus Frankfurt (24. Juli 2024 um 00:12 Uhr)
    In ihrem blindwütigen Hass auf Russland verfällt die EU zusehends in einen grellen Wahn, der immer ausgeprägtere Züge annimmt. All das erinnert an Schillers Ausspruch: »Gefährlich ist den Leu zu wecken, verderblich ist des Tigers Zahn, jedoch der Schrecklichste in allen Schrecken, das ist der Mensch in seinem Wahn.« Zu diesem Wahn gehört auch die ausgemachte Dummheit, so Russland schädigen zu können, einfach weil dies gewünscht wird auf den Kommandohöhen der EU. All das nutzt dieser gemeingefährliche Kiewer Clown und Schmierenkomödiant Selenskij schamlos zu seinen nationalistischen Interessen aus, wissend, dass er von Brüssel einen Blankoscheck ausgestellt bekommt.
  • Leserbrief von B.S. aus Ammerland (24. Juli 2024 um 00:09 Uhr)
    Wer es noch nicht verstanden hat … die EU ist nur für die Wirtschaft gegründet worden und die Bürger nur als Konsumenten geduldet. Als Kanonenfutter natürlich auch . . . Was die ukrainischen Faschisten mit ihren Gegnern in Budapest und Bratislava veranstalten passt den Kriegshysterikern in Brüssel gut ins Konzept. Der »Lupenreine Demokrat Orban« hat versucht den sinnlosen Krieg in der Ukraine zu beenden. Leider waren die angloamerikanischen & NATO-Freunde darüber entsetzt … Die Rüstungsindustrie kann keinen Frieden brauchen. Auch die EU-Spitzen von der Leyen, Borell und Co. haben kein Interesse von den Rüstungskonzernen nicht bedacht zu werden. Manus manum lavat. Nun hat die EU ein zusätzliches Erpressungsmittel gegenüber Orban und Fico. Wahrscheinlich hat dieses Ereignis das Zeug für einen »demokratischen Regimechange«. Von der Leyen und ihre alimentieren Freunde werden kein Interesse an der Friedenstour haben und alles unternehmen Orban und Fico hinzuhängen. EU Demokratie, Menschenrechte, Pressefreiheit, Frieden haben in Brüssel und anderen Hauptstädten mittlerweile nur sehr wenige Freunde. Die wahren Nazis und Faschisten ziehen in Nadelstreifen und Kostüm durchs Land. Dass die EU Trump als das hinstellt, was er wirklich ist, ein mafioser Faschist, wird aber gegenüber dem senilen Biden nicht gesagt. Es gibt keinen Unterschied . . . Nur den Krieg will Trump beenden . . . es wird abzuwarten sein, was von der Leyen dann für eine Ausrede findet.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (23. Juli 2024 um 21:59 Uhr)
    Was für eine verkehrte Welt, was wir in der EU erleben müssen! Das Ratsvorsitzland manövriert sich mit seiner, zugegeben naiven Friedensinitiative ins Abseits und wird dadurch doppelt bestraft: einmal von der Ukraine durch das Stoppen der Gaslieferungen und zusätzlich von der EU, deren Chefdiplomat Borrell das Außenministertreffen im August in Ungarn absagen will. Es sei klargestellt, dass Orbán kein Angestellter der EU ist – eher im Gegenteil: Die EU sollte das tun, was die Regierungschefs der Mitgliedsländer beschließen. (Dies stellt keine Bewertung seinem naiven Alleingang dar.) Die EU kann nur so stark sein wie ihre Mitgliedsländer. Wenn sie diese jedoch nicht schützt, sondern bestraft oder bestrafen lässt, schadet sie sich direkt selbst! Selenskij scheint dies nicht vollständig zu begreifen und übersieht dabei, dass die Ukraine für einen EU-Beitritt sowohl die Zustimmung Ungarns als auch der Slowakei benötigt.
  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (23. Juli 2024 um 21:34 Uhr)
    Wenn die weitere Forcierung dieses hirnrissigen Sanktionssadismus gegen Russland dazu beitragen sollte, dass dadurch schließlich die derzeitige EU auseinanderfliegt, dann hätte der ganze Schwachsinn am Ende doch noch wenigstens sein Gutes gehabt.

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